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Vorgehängte hinterlüftete fassaden
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FASSADE 6/2016
Hinterlüftete Fassaden: Konstruktion
und planerische Besonderheiten
Hinterlüftete Fassaden sind grundsätzlich
unter den Gesichtspunkten der Nachhal-
tigkeit, der Bauphysik und des Schallschut-
zes eine der hochwertigsten opaken Beklei-
dungsmöglichkeiten von Außenwänden.
Durch das vorgehangene und hinterlüftete
Bekleidungsmaterial sind der Witterungs-
schutz, der Schutz der Wärmedämmung
und die Feuchteabfuhr bei der Diffusion von
innen nach außen allen anderen opaken
Fassadenkonstruktionen weit voraus. In der
Regel wird der Rohbau mit einer zugelasse-
nen mineralischen Dämmwolle nach DIN
EN 13162 bekleidet. Die Wahl der Unterkon-
struktion ist abhängig vom Bekleidungsma-
terial, dem Materialgewicht und den Plat-
tenformaten. Unter Beachtung des ständi-
gen Wettlaufens um die Reduzierung der
Wärmebrücken ist das Planen einer wirt-
schaftlichen und bauphysikalisch geeigneten
Unterkonstruktion eine wichtige Planungs-
aufgabe. Diese wird in der Regel im tatsäch-
lichen Planungsalltag leider meist mehrfach
über den Haufen geworfen. Verursacht wird
dies durch die Suche der Architekten nach
dem „richtigen“ Bekleidungsmaterial (Ke-
ramik, Naturstein, Faserzement, Glas, etc.),
dem Plattenformat und dem Fugenverlauf.
Eine sichere Kostenberechnung für den Teil
der hinterlüfteten Fassade ist in der Regel
erst dann möglich, wenn das Bekleidungs-
material, die Plattenformate und der Fugen-
verlauf eingegrenzt sind.
An dieser Stelle gilt es zu beachten, dass ins-
besondere das innerstädtische Bauen auf
Grundlage der „ausgequetschten“ Grund-
stücksgrenzen gerade bei hinterlüfteten
Vorhangfassaden der Fassadenaufbau (VK
Rohbau – VK Außenfassade) schon in der
Entwurfsphase eine wichtige Rolle spielen
sollte. Die Wärmedämmdicke mit dem Wär-
meleitwert wird über den Nachweis nach
der EnEV definiert. Die Hinterlüftung der
Vorhangfassade ist in der DIN 18516 Teil 1
mit den Anforderungen und Prüfungs-
grundsätzen ausführlich beschrieben. Pla-
nerisch ist zu beachten, dass der notwendi-
ge Hinterlüftungsspalt von 20 mm zum ei-
nen durch die möglichen Rohbautoleranzen
nach DIN 18202 sowie die Wahl der Unter-
konstruktion beeinflusst werden wird. Die
Hinterlüftung kann zwar örtlich bis auf 5
mm reduziert werden, dies kann aber in kei-
nem Fall Planungsgrundlage sein. Die An-
forderungen an den Brandschutz beziehen
sich im Besonderen auf den Hinterlüftungs-
spalt, in welchem horizontale Brandsperren
einzubauen sind. Hierzu sind die Vorgaben
der Musterliste der technischen Baubestim-
mungen Teil 1, Anlage 2.6/11 zu beachten
und planerisch in die Unterkonstruktions-
planung mit aufzunehmen.
Wohngebäude Sapphire:
Blick ins Detail
Nun zur hinterlüfteten Keramikfassade am
Wohngebäude Sapphire in Berlin-Mitte.
Die Keramikplatten im Format 600 mm x
1200 mm sind 9-12 mm dick und wurde
in Italien bei der Firma Casalgrande herge-
stellt. Dieses originelle geometrische Design
mit dem Flachrelief erzeugt eine dynamische
dreidimensionale Wirkung. Im Licht entste-
hen und verschwinden zahlreiche Lichtre-
flexe die die Fassade beleben. Dieser Effekt
wird durch eine Metallic-Lasur verstärkt.
Dank der innovativen Technologie Bios Self-
Cleaning aktivieren die Keramikplatten bei
Sonnenlicht eine Reaktion, die in der Lage
ist, die in der Luft befindlichen Schadstof-
fe zu beseitigen, den sich auf der Oberfläche
der Platten ablagernden Schmutz abzubau-
en und ihn dank der natürlichen Tätigkeit
des Regenwassers zu entfernen. Die Kera-
mikfliesen wurden rückseitig zusätzlich mit
einem Netz belegt, damit ggf. bei einer äu-
ßeren Beschädigung keine großformatigen
Keramikteile abgehen.
Keramikfassade im Blick
Die kompletten Keramikplatten werden von
außen nicht sichtbar mittels Hinterschitt-
technik mit bauaufsichtlich zugelassenen
Keramikfassade mit 3D-Ausrichtung
Von Dipl.-Ing. Andree Franke
Das Hochhaus „Sapphire“ in Berlin verfügt über eine in vielerlei Hinsicht besondere Keramikfassade.
Bei der vom Architekten Daniel Libeskind entworfenen Fassade wurde erstmalig in Deutschland ein
Wohngebäude nicht nur mit einer außergewöhnlichen Gebäudekubatur, sondern auch mit einer speziell
von ihm entwickelten dreidimensionalen Keramiktafel realisiert. Der Beitrag stellt das Projekt im Detail vor.
IBF Ingenieurbüro Franke (5)