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glas+rahmen

09.18

technik

37

der zahlreichen Einsprüche zum Thema „Sicherheits-

glas unter 80 cm“ beriet sich der Ausschuss schon am

Tag vor der Anhörung der Einsprecher und entwickelte

in diesem internen Gespräch als Lösungsvorschlag die

Formulierung zur Risikoabschätzung. Durch die Anhö-

rung am zweiten Tag der Einspruchssitzung mit gelade-

nen Einsprechern führten der Obmann des Normenaus-

schusses, Prof. Dr.-Ing. Geralt Siebert, und sein Stellver-

treter Prof. Dr.-Ing. Jens Schneider. Begleitet wurde die

Sitzung von dem Sekretariat des DIN und einem Be-

auftragten des DIN zur Überwachung des Prozederes.

Am Nachmittag des zweiten Tages beriet sich der Nor-

menausschuss erneut intern, verabschiedete die vorläu-

fige Formulierungen (siehe Seite 36) und beschloss ei-

nen weiteren Sitzungstermin am 1. und 2. Oktober, weil

im Rahmen der ersten Einspruchssitzung nicht alle Ein-

sprüche geklärt wurden und somit keine finale Abstim-

mung zur Norm durchgeführt werden konnte.

Die Risikoabschätzung zu Sicherheitsglas bei

Einsatzorten unter 80 Zentimeter

Beherrschendes Thema der ersten Einspruchssitzung

war die Formulierung zum „Sicherheitsglas unter 80

cm“. Schon am ersten Tag wurde intern über das The-

ma hart, ausführlich und konstruktiv diskutiert. In der

Diskussion wurde deutlich, dass es in dem Bereich un-

ter 80 cm unterschiedliche Glas-Einbausituation gibt,

die unterschiedliche Gefährdungspotenziale besitzen.

Diese jeweiligen Situationen in einer Norm aufzuzäh-

len und zu beschreiben, ist nicht Aufgabe einer Norm.

Sie soll Rahmenbedingungen benennen, sich allgemein

gehaltener Formulierungen bedienen und den aktuel-

len Stand der Technik beschreiben. Vor diesem Hinter-

grund wurde in dem Gremium der Passus zur Risikoab-

wägung entwickelt.

Dabei geht es bei der Verwendung von Glas imBauwe-

sen generell immer um eine Risikoabschätzung. Im zu-

künftigen Eurocode Glas ist die Risikoabschätzung oh-

nehin die Grundlage zur Bewertung von Glasanwendun-

gen (Grafik 1). Aus der Klassifizierung der Konsequenzen

aus Glasbruch werden die Anforderungen an zu verwen-

detes Glas, an dessen Gebrauchstauglichkeit, Tragfähig-

keit und Resttragfähigkeit ermittelt. Im Prinzip ist die Ri-

sikoabschätzung jederzeit die Grundlage für die Anwen-

dung von Glas. Die vollständige DIN 18008 beschreibt

in ihren einzelnen Teilen die Verwendung von Glas un-

ter den Gesichtspunkten der Risikoabschätzung. So ist die

Verwendung von Glas zum Beispiel als Absturzsicherung,

als punktgehaltene Verglasung, zur Begehbarkeit oder als

tragendes Bauteil jeweils gesondert geregelt und entspre-

chend auszuführen. Nach dem gleichen Prinzip der Risiko-

abschätzung sind die Regeln in der Arbeitsstättenrichtlinie

und in den Forderungen der Deutschen Gesetzlichen Un-

fallversicherung (DGUV) formuliert. Nun geht es um die

Bewertung von Glas, typischerweise in privaten Bereichen

unter 80 cm und das damit verbundene Risikopotenzial.

Im Rahmen der Diskussionen innerhalb des Arbeitskrei-

ses wurde schnell offensichtlich, dass die Risikoabschät-

zung alleine aus der Feder des ausführenden Handwer-

kers und ohne Erläuterung untauglich sein würde. Aus-

führenden Unternehmern ist nicht anzuraten, prinzipiell

geforderte Sicherheitsanforderungen zu unterlaufen und

aufgrund eigener willkürlicher Einschätzung eine unüber-

sehbare Verantwortung auf sich zu nehmen. Im Falle eines

Rechtsstreits wegen eines Personenschadens wäre abzuse-

hen, dass sie keinen Rückhalt hätten, die Verantwortung

für ihre Entscheidung übernehmen und für den Schaden

haften müssten.

Gemeinsame Formulierung zur

Risikoabschätzung

Genau an dieser Stelle – zur Bewertung der Risikoabschät-

zung – hat der Bundesinnungsverband des Glaserhand-

werks nun die Möglichkeit, im Rahmen einer jetzt ange-

strebten gemeinschaftlichen Formulierung der beteiligten

Fachverbände eigene Stellungnahmen zu verfassen und

der autor

Ralph Matthis ist

Technischer Berater

des Instituts für

Verglasungstechnik

und Fensterbau

e.V. in Hadamar

und vertritt den

Bundesinnungsver-

band des Glaser-

handwerks unter

anderem im Ar-

beitskreis des Nor-

menausschusses NA

005-09-25 AA.

Grafik 1: Klassifizierung der

Konsequenzen aus Glasbruch im

Entwurf zum Eurocode Glas.

G-CC = Glass Component Fracture

Consequence Glass

Klassifizierung der Konsequenzen

aus Glasbruch

SLS = Serviceability Limit State

Grenzzustand der Gebrauchstaug-

lichkeit

ULS = Ultimate Limit State

Grenzzustand der Tragfähigkeit

PFLS = Post Fracture Limit State

Grenzzustand der Resttragfähigkeit