Branche
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RTS-Magazin 11/2018
Sie sind alt, elegant, wertvoll
und auch als Unternehmenssitz
oder Gastronomiebetrieb sehr
beliebt: historische Bauwerke
wie Klöster, Fachwerkhäuser
oder Gerichtsgebäude. Wer das
Glück hat, dort zu arbeiten, be-
vorzugt aber ein Büro auf der
Schattenseite. Denn Rollladen
hatten diese Bauwerke früher
noch nicht, und Markisen dür-
fen nicht einfach daran ange-
bracht werden.
Im Gegenteil machen Be-
hörden gerade bei denkmalge-
schützten Gebäuden dazu ei-
nige strenge Auflagen. Abhilfe
schaffen die FH Münster und
das Unternehmen Haking Me-
tallbau aus Ladbergen: Sie ha-
ben eine Markise für Rundbo-
genfenster entwickelt, die im
eingefahrenen Zustand nicht
sichtbar ist und somit die Optik
des jeweiligen Gebäudes nicht
stört. „So konnten wir ein welt-
weit einzigartiges Produkt auf
den Markt bringen“, sagt Ge-
schäftsführer Hubertus Haking.
Ausgeklügeltes
Seilführungssystem
Das Besondere an der Rundbo-
genmarkise: Sie hat ein ausge-
klügeltes Seilführungssystem,
Unsichtbare Rundbogenmarkise für den Denkmalschutz
von der im eingefahrenen Zu-
stand der Markise nichts zu se-
hen ist. Schmale Schienen um-
randen das Fenster, in ihnen
laufen Gleitstücke mit Seilen
parallel zur Markise – von außen
nicht sichtbar.
Angefragt hatte das Klos-
ter Tutzingen in München. Das
denkmalgeschützte
Gebäude
hat jetzt die Markisen bekom-
men, bei denen im eingefahre-
nen Zustand keine Zugstrebe
und kein Seil quer durch das
Fenster verläuft. Aber weil
da auch Haking als Sonder-
markisenhersteller
zunächst
nicht weiterhelfen konnte, er
aber eine Idee hatte, für die
er wissenschaftliche Expertise
brauchte, wandte er sich an die
Handwerkskammer
Münster.
Hans-Dieter Weniger stellte den
Kontakt zur FH Münster her.
Genauer gesagt zu Prof. Dr.
Klaus Baalmann vom Fachbe-
reich Maschinenbau: „Für mich
war das Thema vorher völ-
lig fremd, aber die Idee der in-
telligenten Seilführung hat et-
was. Sieht simpel aus, ist aber
lange nicht so – das Anspruchs-
volle ist verdeckt.“ So starteten
Klaus Baalmann und Haking
mit der Kooperation, sammelten
Ideen und entwickelten sie wei-
ter, bauten Modell und Muster.
10000 Mal fuhr die neue Mus-
ter-Markise hoch und runter.
„Nur so lassen sich zum Bei-
spiel Verschließteile beurteilen,
deren Leistungsfähigkeit man
vorher theoretisch mit Berech-
nungen nicht erfassen kann“,
erklärt Klaus Baalmann. Eben-
falls konnten sie so die Frage
klären, wie stark Motor und
Federn sein müssen, damit die
Seile nicht durchhängen, nicht
an Kraft verlieren, nicht aufrei-
ßen und gleichzeitig das Marki-
sentuch stramm halten.
Mit bundesweitem Preis
ausgezeichnet
Auch bei der Bearbeitung der
CE-Kennzeichnung hat Ha-
king auf das Wissen des Pro-
fessors zurückgegriffen, der bei
diesem Schritt Studierende mit
Abschlussarbeiten mit einbezog.
„Wir haben uns zum Beispiel
um Berechnungen zum Wärme-
durchgang, zur Festigkeit oder
zu Extrembelastungen bei ho-
hen Windstärken gekümmert.“
Für die gelungene Zusam-
menarbeit und die entstandene
Rundbogenmarkise haben Ha-
king und Klaus Baalmann den
Seifriz-Preis gewonnen, ein
bundesweiter Transferpreis für
besondere
Zusammenarbeit
zwischen Hochschulen und
Handwerksbetrieben. Und die
Kooperation geht weiter, das
haben die zwei schon angedeu-
tet – dieses Mal im Bereich der
Terrassenüberdachung.
www.fh-muenster.deHubertus Haking (l.) und Prof. Dr. Klaus Baalmann haben noch weitere Ideen, die Rundbogenmarkise zu perfektionieren.
Fotos (2): © FH Münster/Pressestelle
Der Clou an der Rundbogenmarkise ist die Seilführung: Ist die Markise
komplett aus- oder eingefahren, sind die Seile nicht sichtbar.