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Markt

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RTS-Magazin 8/2018

Besprechungsraum eines Mittelständlers:

Der Geschäftsführer stellt ein neues Projekt

und seine Meinung dazu vor. In den Köp-

fen der Mitarbeiter regen sich kritische Ge-

danken: „Das ist doch totaler Mist, so wie er

das vorhat“. Dann fragt der Geschäftsführer:

„Ist jemand anderer Meinung?“. Schweigen

im Raum. Die Mitarbeiter wollen „gemocht“

werden – heißt in diesem Fall: keinen Är-

ger, keine unnötigen Steine im Weg, um die

nächste Beförderung zu bekommen etc.

In der Praxis begegnen mir immer wie-

der Unternehmen, die geprägt sind von po-

litischen Spielchen hier, einer versteckten

Agenda dort, Schuldzuweisungen statt Lö-

sungsvorschlägen – und ein hervorragender

blinder Aktionismus, wenn die Zahlen nicht

im Plan liegen. In diesen Unternehmen ar-

beiten gebildete und erfahrene Menschen.

Doch was läuft da schief?

Wenn der weiche Kram den Profit

gefährdet

Die kurze Antwort: Es liegt nicht an den

Menschen! Ob Digitalisierung, Umsetzung

von Veränderungsvorhaben oder die Ge-

winnung neuer Mitarbeiter – all dies wird

nur nachhaltig gelingen, wenn wir uns dem

„weichen Kram“ widmen. Damit meine ich

Ihre Unternehmenskultur. Oder präziser

formuliert: die Arbeitskultur in Ihrem Un-

ternehmen. Welche Verhaltensweisen wer-

den durch diese Kultur verstärkt?

Es gehört zum guten Ton einer moder-

nen Führungskraft, von seinen Mitarbeitern

zu fordern: „Ihr müsst mutiger sein.“ „Wir

brauchen eine Fehler-Kultur.“ „Übernehmt

mehr Verantwortung!“ Doch das sind meist

nur Lippenbekenntnisse. Es reicht eben

nicht, Leitsätze und Richtlinien mit einem

Berater schön auszuformulieren und in

Hochglanzbroschüren zu drucken. Das ent-

scheidende sind nicht die Worte, sondern

die Taten. Welche Verhaltensweisen beob-

achten wir in Ihrem Unternehmen?

Beispiel: Ein wichtiges Zukunftsprojekt

wird aufgesetzt. Es ist nicht nur inhaltliches

Neuland, sondern auch noch ein teures Un-

terfangen. Auf dem Weg geht etwas schief.

Was passiert jetzt? Wird der Schuldige ge-

sucht, um ihm den Marsch zu blasen? Oder

wird die Ursache gesucht, um daraus zu ler-

nen? Zwei völlig unterschiedliche Verhal-

tensweisen, die schnell sichtbar machen, in

welcher Arbeitskultur die Menschen arbei-

ten (müssen).

Aus meinen Projekten und den Gesprä-

chen mit vielen Führungskräften bekomme

ich den Eindruck, dass ein gefährlicher Typ

von Arbeitskultur weit verbreitet ist. Sie er-

kennen sie an folgenden Symptomen: Die

Menschen gehen nicht respektvoll miteinan-

der um. Fehler sind ein Makel, den man am

besten vertuscht oder jemand anderem un-

terschiebt. In der Folge kommt Weichspüler

in die Kommunikation. Es wird kein Klartext

mehr gesprochen, sondern politisch korrekt

formuliert. Die Menschen ziehen den Kopf

ein, wenn es darum geht, Verantwortung zu

übernehmen.Verständlich.Wer will schon im

übertragenen Sinne einen Kopf kürzer ge-

macht werden? Wohin das im Hinblick auf

die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens

führt, können Sie sich selber ausmalen.

Dilemma: Angst oder Ponyhof?

Unternehmer und Führungskräfte rollen bei

weichen Themen schnell mit den Augen.

Besser ist es, wenn man mit Zahlen, Daten

und Fakten hantieren kann. Das kann man

schließlich besser messen und besser grei-

fen. Doch bei der Arbeitskultur gibt es keine

Abkürzung oder Umleitung. Sie müssen sich

diesem Thema stellen – sonst leiden irgend-

wann Ihre Zahlen und / oder Ihre besten

Mitarbeiter wechseln zumWettbewerber.

Es gibt zwei zentrale Faktoren. Der erste:

Verantwortung. Diese Medaille hat zwei

Seiten. Als Führungskraft muss ich Verant-

wortung abgeben wollen. Und das will nicht

jede Führungskraft. Ein Unternehmer be-

auftragte beispielsweise ein Team, eine Ent-

scheidung für die Anschaffung von zwei

großen Maschinen vorzubereiten. Das Team

machte sich an die Arbeit, recherchierte und

war fast fertig – da kommt der Unternehmer

von einer Messe zurück und sagt: „Das Pro-

jekt könnt ihr einstampfen. Ich habe auf der

Messe zwei Maschinen bestellt.“ Die andere

Seite der Medaille liegt beim Mitarbeiter. Er

muss den Freiraum, den er bekommt, auch

füllen wollen. Spätestens jetzt bemerken

viele Mitarbeiter, dass Verantwortung ein

Gewicht hat. Es wird im Alltag zwar schnell

nach mehr Verantwortung gerufen, tragen

will sie dann aber doch nicht jeder.

Der zweite Faktor ist die Sicherheit. Prä-

ziser formuliert: die emotionale Sicherheit.

Damit ist gemeint, wie offen wir mit Fehlern

umgehen. Können Sie einen Fehler, den Sie

selber verursacht haben, vor sich selbst ein-

gestehen? Können Sie ihn auch offen vor

anderen zugeben? Wie reagieren die Men-

schen in Ihrem Umfeld darauf: verurteilend

und bestrafend – oder neugierig und interes-

siert? Daraus lässt sich folgendes Kulturbild

ableiten:

Arbeitskultur im Spannungsfeld

In vielen Teams und Unternehmen herrscht

nach wie vor ein Umfeld der Angst. Macht

und Dominanz sind die wesentlichen

Kräfte, mit denen geführt wird. Das ge-

fällt immer weniger Menschen – und wenn

der Nachwuchs so eine Kultur erlebt, liegt

morgen die Kündigung auf dem Tisch. Das

kommt dem Gemocht-Werden-Wollen-Vi-

rus gerade recht, so dass immer mehr Initi-

ativen in die andere Richtung gestartet wer-

den – in Richtung Ponyhof.

Viele dieser „modernen“ Führungsins-

trumente sind für die Zukunftsfähigkeit ei-

nes Unternehmens lebensbedrohlich. Bei-

spiel: 360-Grad-Feedback. Wer zu forsch

auftritt, bekommt schlechte Bewertungen

von den Mitarbeitern. Dadurch wird er „so-

zialisiert“ und er muss seinVerhalten anpas-

sen, um gute Bewertungen zu bekommen.

So stecken viele Führungskräfte in einem

Dilemma. Wenn Sie hart und fordernd sind,

bekommen Sie zwar (kurzfristig) Ergebnisse,

aber die Stimmung und die Bewertungen im

360-Grad-Feedback sind schlecht. Ändern

sie ihr Verhalten und sind kooperativer, ein-

fühlsamer – so steigt zwar die Stimmung im

Team und die Bewertungen werden besser.

Jedoch fehlen nun die Ergebnisse.

Hart in der Sache, fair zum

Menschen

Der Veränderungsdruck nimmt in Unter-

nehmen immer mehr zu. Wenn wir es nicht

schaffen, eine offene Arbeitskultur zu schaf-

fen, die geprägt ist von Respekt, Vertrauen

und einer gelebten Streitkultur, dann wird

es schwierig.

Viele Menschen zucken beim Begriff

„Streitkultur“, da sie sich gar nicht strei-

ten wollen. Nachvollziehbar, da die meis-

ten Menschen den Konflikt meiden wie der

Teufel das Weihwasser. Aber wir brauchen

den Konflikt. Denn der Konflikt macht uns

besser. Zukunftsfähiger. Und dazu braucht

es eine Streitkultur. Auf der Hierarchieleiter

wird diese zwar bereits als Einbahnstraße

von oben nach unten gelebt. Aber der Streit

muss in beide Richtungen stattfinden kön-

nen. Streit heißt ja nicht viel mehr als das

Austragen einer Meinungsverschiedenheit.

Wenn Ihnen der Begriff zu hart ist, dann

nehmen Sie von mir aus eine sachliche Dis-

kussionskultur. Fakt ist: Wir brauchen eine

Arbeitskultur, die es erlaubt, unterschiedli-

che Meinungen offen auszutragen. Und das

sollte hart in der Sache und gleichzeitig fair

zum Menschen passieren.

Autor Peter Holzer

Peter Holzers Karriere hätte kaum bilder-

buchhafter sein können: Bereits mit 24

Jahren verantwortete er den Vertrieb ei-

nes Mittelstandsfonds. Nach einer plötz-

lichen Erkrankung fasste er den Mut,

einen Neustart zu wagen. Heute unter-

stützt er Unternehmen, ihre Ideen mutig

in die Praxis umzusetzen. Im Gabal-Ver-

lag ist sein erstes Buch „Mut braucht eine

Stimme: Wie Sie Ihrem Leben Wirkung

geben“ erschienen.