RTS Magazin 12/2016

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Editorial
I ch mag Kaffee. Oder besser: Ich brauche den. Deshalb führt meine Route beim
wöchentlichen Großeinkauf immer zuerst zu dem Regal, an dem die goldene
Bohne auf dunkelblauem Hintergrund thront. Schön ist ja, dass ich dank der zu-
verlässigen Werbung des Kaffeeanbieters immer vorher schon weiß, was neben den
Bohnen, die die Welt bedeuten, dort noch alles zu erstehen ist. Je nach Saison, kann
man sich da vortrefflich mit der entsprechenden Deko versorgen. Was wäre schließ-
lich Ostern ohne Eierwärmer in Hasenform oder Weihnachten ohne eine Porzel-
lan-Glocke, die am Heiligen Abend für ordentlich Stimmung sorgt? Unangenehm
werden jedoch die Lücken, die sich zwischen den großen Festen oder Jahreszei-
tenwechseln auftun. Dann bekommt man da ausnahmslos Dinge, die man defini-
tiv nicht braucht. Für die Küche kann man dann Butter-Stempel, Kiwi-to-go-Boxen
oder Bananenschneider erstehen. Eine Lampe, die man an seine Brille stecken kann,
verspricht pures Lesevergnügen auch bei Dunkelheit. Oder man kann ein weißes
Ding aus Plastik kaufen, womit sich problemlos die Scheibenwischblätter am PKW
nachschneiden lassen.
Vor der Weihnachtszeit gab es nun eine Lücke, die von dem Unternehmen cle-
ver mit dem Thema „Sicherheit fürs Eigenheim“ gefüllt wurde. Das passt gut in die
jahreszeitliche Grauzone! Und wer braucht bitte einen Fachmann zur Beratung oder
gar ein Smart-Home zur Anwesenheitssimu-
lation, wenn ich im Supermarkt meines Ver-
trauens alles bekomme, was Einbrechern das
Blut in den Adern gefrieren lässt? Im ver-
gleichsweise höheren Preissegment in Bezug
auf die anderen Produkte gab es LED-Strahler
mit Bewegungsmelder sowie eine IP-Überwa-
chungskamera. Wem das zu viel Technik ist,
der kann sich Plastik-Karten oder Sensoren
an Türen und Fenster kleben, die bei einem
Einbruchsversuch einen Alarm auslösen. Ob-
wohl: Wenn man den günstig zu erhaltenden
Warnaufkleber „Alarmgesichert“ gut sichtbar
außen anbringt, traut sich sowieso niemand
mehr rein.
Ehrlich gesagt ist es schwer für mich ge-
wesen, meinen klaren Sicherheits-Favoriten
auszumachen. Es gab so viele Möglichkeiten.
Kurz bevor ich den Türstopper mit Alarm-
funktion auf das Siegertreppchen heben wollte, fiel mir ein LED-TV-Simulator mit
klarer Botschaft in die Hände: „Liebe Einbrecher, auch wenn sonst alles ruhig ist –
hier guckt jemand Fernsehen und merkt, wenn Ihr reinkommt!“ Nachdem ich meine
Fassungslosigkeit überwunden hatte, konnte die Prämierung jedoch ohne weitere
Umschweife stattfinden: Es gab nämlich auch noch einen elektronischen Wachhund.
Den muss man nur einschalten, wenn man das Haus verlässt. Dann bellt die Büchse
sehr laut und realistisch, sobald sich neben den Fenster etwas bewegt. Und das mit
drei Jahren Garantie.
Leider war mir der Hund zu teuer. Schließlich muss ich ja bald Weihnachtsge-
schenke kaufen und deshalb sparsam sein.Vielleicht habe ich ja Glück und finde un-
ter dem Weihnachtsbaum einen dieser kläffenden Spielzeughunde von der Kirmes,
die während meiner Abwesenheit schwanzwedelnd ihre Runden im Wohnzimmer
drehen und jeglichen Einbruchversuch im Keim ersticken. Wenn nicht, werde ich ei-
nen Eimer mit Wasser über meiner Haustür anbringen, der mit einem Band an der
Türklinke befestigt ist und sich bei einem unbefugten Öffnen umgehend über dem
Eindringling entleert. Diese Methode bewährt sich schließlich seit Jahrzehnten.
Sichere Grüße
Maren Meyerling
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