63
FASSADE 5/2018
BRANCHE
|
Aus der Rechtspraxis
Unterlässt der Auftragnehmer
dies, bleibt es bei der vereinbar-
ten Soll-Beschaffenheit und bei
der Bejahung eines Mangels,
wenn eine andere Folie einge-
baut wird (OLG München/BGH
Beschluss vom 07.03.2018 – VII
ZR 121/17).
Für die Praxis
Der entscheidende Fehler des
Auftragnehmers war es aus
Sicht der Gerichte, dass er sich
im Hinblick auf die Verfügbar-
keit der vertraglich vorgesehe-
nen Dichtungsbahn für den Fas-
saden-/Sockelbereich nicht mit
seinem Auftragnehmer ins Be-
nehmen gesetzt hat, ihn auf das
Lieferproblem aufmerksam ge-
macht und eine Vertragsanpas-
sung betreffend die Ausführung
einer anderen Folienqualität
herbeigeführt hat.
Zu Nachweiszwecken sollte die
insofern gebotene Vereinbarung
schriftlich erfolgen und die Un-
terschrift von Auftraggeber und
Auftragnehmer tragen. Wird
dem Auftraggeber keine Ent-
scheidung abverlangt und nach
Leistungserbringung
darauf
hingewiesen, dass der Baustoff
ohnehin gleichwertig zum ver-
traglich vorgesehenen sei, führt
dies für den Auftragnehmer zu
erheblichen Abwicklungsrisiken
und gefährdet den wirtschaftli-
chen Erfolg des Bauvorhabens.
Im Übrigen sei dem Auftrag-
nehmer angeraten, ein ihm vor-
gelegtes Leistungsverzeichnis
bereits im Angebotsstadium un-
Im LV genanntes Produkt gibt
es nicht (mehr) – und nun?
Aktueller Fall
Ein öffentlicher Auftragge-
ber hat im Zusammenhang mit
Bauleistungen für eine Kinder-
tagesstätte Abdichtungsarbei-
ten im Fassaden-/Sockelbereich
ausgeschrieben. Im Leistungs-
verzeichnis wurde hinsichtlich
der auszuführenden Dichtungs-
bahnen kein bestimmtes Pro-
dukt genannt. In der Leistungs-
beschreibung wurde lediglich
eine Dicke der Dichtungsbahn
von 1,5 mm verlangt. Nach dem
Zuschlag hat der Bauauftrag-
nehmer festgestellt, dass es am
Markt für den konkreten An-
wendungsfall offenbar kein Pro-
dukt mit der ausgeschriebenen
Stärke von 1,5 mm gibt. Um sei-
ne Bauleistungen im Fassaden-
bereich zügig voranzubringen,
hat der Auftragnehmer ohne
weitere Rücksprachen eine Fo-
lie eingebaut, die eine Dicke von
1,2 mm aufweist.
Später kam es zu Wasserschä-
den und einem Rechtsstreit, in
dessen Rahmen vom Auftrag-
nehmer Schadensersatz ver-
langt wurde.
Der Auftragnehmer hat sich mit
dem Hinweis verteidigt, dass
kein bestimmtes Produkt ausge-
schrieben gewesen sei und dass
die von ihm verbaute 1,2 mm
dicke Folie funktionell gleich
geeignet wäre. Ergänzend hat
der Auftragnehmer im Rahmen
des Rechtsstreits auf einen Pla-
nungsfehler des Auftraggebers
hingewiesen; dies, weil ein Pro-
dukt ausgeschrieben worden
Gegenstand des Bauvertrages wird regelmäßig ein mehr oder weniger umfangreiches
Leistungsverzeichnis. Was ist in rechtlicher Hinsicht zu beachten, wenn der Auftragnehmer im
Rahmen der Vertragsdurchführung feststellt, dass ein im Leistungsverzeichnis vorgesehener und
damit vertraglich vereinbarter Baustoff nicht oder nicht mehr am Markt erhältlich ist? Mit dieser
Fallgestaltung haben sich das Oberlandesgericht München und der Bundesgerichtshof in einer
kürzlich veröffentlichten Entscheidung beschäftigt.
sei, das es auf dem Markt nicht
gebe (OLG München/BGH Be-
schluss vom 07.03.2018 – VII ZR
121/17).
Ansicht der Gerichte
Die Gerichte lassen die Argu-
mente des Auftragnehmers
nicht gelten.
Zunächst wird festgestellt, dass
die Leistung des Auftragneh-
mers dann mangelhaft ist, wenn
die Ist- von der Soll-Beschaffen-
heit abweicht; wenn sich mit-
hin die erbrachte Leistung nicht
mit der vertraglich vereinbarten
deckt.
Das Oberlandesgericht Mün-
chen weist weiter auf Folgendes
hin. Gibt es ein im Leistungs-
verzeichnis genanntes Produkt
(hier: 1,5 mm dicke Abdich-
tungsfolie) auf dem Markt nicht,
darf der Auftragnehmer nicht
einfach auf ein anderes Produkt
(mit geringerer Dicke) auswei-
chen, sondern er muss sich mit
dem Auftraggeber zuerst ins
Benehmen setzen und auf eine
Vertragsanpassung hinwirken.
ter anderem sorgfältig daraufhin
zu prüfen, ob die dort genann-
ten Baustoffe/Bauteile auch tat-
sächlich lieferbar bzw. verfügbar
sind; auch wenn sich dies in der
Praxis oft wegen des Umfangs
und der Komplexität manches
Leistungsverzeichnisses sowie
im Hinblick auf die regelmäßig
knapp bemessenen zeitlichen
Kapazitäten schwierig gestalten
kann. Erkennt er ein Lieferpro-
blem, hat er dies grundsätzlich
im Rahmen des Zustandekom-
mens des Vertrages mitzuteilen
und auf eine Klärung des Ver-
tragsinhalts hinzuwirken. Er-
folgt dies nicht und werden ent-
sprechende Passagen überle-
sen, kann dies bedeuten, dass
sich der Auftragnehmer zu einer
– im Rechtssinne – „unmögli-
chen“ Leistung verpflichtet, was
unter anderem nicht unerheb-
liche Schadensersatzansprüche
des Bauauftraggebers auslösen
kann.
Rechtsanwalt Jörg Teller ist Fach-
anwalt für Bau- und Architekten-
recht in der Frankfurter Kanzlei
SMNG Rechtsanwaltsgesellschaft
mbH
(www.smng.de)
§