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FASSADE 1/2018
BRANCHE
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Aus der Rechtspraxis
Vertragsschlusses von den Par-
teien vorhergesehen. Der Auf-
tragnehmer könne dann, so-
weit hierfür nicht von der Ver-
gütungsvereinbarung erfasste
Leistungen erforderlich werden,
im Regelfall eine Vergütungsan-
passung nach § 1 Nr. 3 oder 4, §
2 Nr. 5 oder 6VOB/B (2006) ver-
langen.
Andererseits könne der Auf-
traggeber von einer Einhaltung
der „neuen“ allgemein aner-
kannten Regeln der Technik
und damit von einer etwaigen
Verteuerung des Bauvorhabens
absehen (vgl. BGH, Urteil vom
14.11.2017, Az. VII ZR 65/14;
IBR 2018, 2141).
Hinweise für die Praxis
Die vom Fassadenbauer auszu-
führende Leistung muss bei ei-
nem VOB-Bauvertrag grund-
sätzlich zur Zeit der Abnahme
frei von Sachmängeln sein. Im
Hinblick auf mögliche Änderun-
gen ist dem Fassadenbau-Auf-
tragnehmer anzuraten, die für
sein Bauvorhaben einschlägigen
anerkannten Regeln der Tech-
nik zu beobachten und – sollte
er eine Änderung feststellen –
seinen Auftraggeber (nachweis-
lich!) über die Änderungen und
die damit verbundenen Kon-
sequenzen und Risiken für die
Bauausführung in einer für ihn
verständlichen Weise zu infor-
mieren. Der Hinweis sollte zu
Beweiszwecken schriftlich er-
folgen; für einen Zugangsnach-
weis ist zu sorgen. Verlangt der
Auftraggeber die Einhaltung der
„neuen“ bzw. geänderten allge-
Änderung der anerkannten Regeln der
Technik während der Bauausführung
Ausgangsfall
Auf der Grundlage des Ange-
bots des Auftragnehmers vom
März 2007, dem die VOB/B
(Ausgabe 2006) beigefügt war,
erteilte der Auftraggeber dem
Auftragnehmer in Abänderung
eines bereits im Juli 2006 ge-
schlossenen Vertrages noch im
März 2007 den Auftrag zur Er-
richtung dreier Pultdachhallen
in verzinkter Stahlkonstrukti-
on. In der Gebäudebeschrei-
bung wurde für die Hallen eine
Schneelast von 80 kg/m
2
ange-
geben. Dies entsprach der DIN
1055-5 (1975) und der im Jahr
2006 erteilten Baugenehmigung.
Nach den technischen Vorga-
ben der geänderten DIN 1055-
5 (2005) für Bauvorhaben, die
nach dem 01.01.2007 beantragt
wurde, und die vorab im Jahr
2005 im Weißdruck erschienen
war, ist eine Schneelast von 139
kg/m
2
anzusetzen. Nachdem
der Auftragnehmer die Hallen
(bis August 2007) errichtet hatte,
kam es zu einer Durchbiegung
der Dachkonstruktion. Der Auf-
traggeber hat den Auftragneh-
mer zur Verstärkung der Dach-
konstruktion aufgefordert; der
Auftragnehmer ist dem jedoch
nicht gefolgt. Ende Juni 2008 hat
der Auftragnehmer die Schluss-
rechnung gelegt und Anfang
Juli 2008 die Fertigstellung sei-
ner Leistungen angezeigt. Der
Auftraggeber hat insofern die
förmliche Abnahme verweigert,
mit Blick auf die Schneelastthe-
matik einen Leistungsmangel
moniert und zur Mangelbeseiti-
gung aufgefordert.
Die allgemein anerkannten Regeln der Technik können sich bekanntlich ändern. Problematisch
wird es für den Auftragnehmer regelmäßig dann, wenn sich die allgemein anerkannten Regeln der
Technik nach dem Abschluss des Bauvertrages – aber noch vor der rechtsgeschäftlichen Abnahme der
Fassadenbauleistung – ändern. Mit dieser Fallgestaltung hat sich der Bundesgerichtshof in einer für
die Praxis wichtigen Entscheidung Ende des Jahres 2017 befasst.
Urteil des Bundesgerichts
hofs vom 14.11.2017
Im Rahmen seiner Beurteilung
des Streitsachverhalts hat der
Bundesgerichtshof insbesonde-
re folgende – für die Praxis be-
deutsamen – Punkte herausge-
arbeitet. Nach § 13 Nr. 1 VOB/B
(2006) schulde der Auftragneh-
mer grundsätzlich die Einhal-
tung der allgemein anerkann-
ten Regeln der Technik zum
Zeitpunkt der Abnahme. Dies
gelte auch bei einer Änderung
der allgemein anerkannten Re-
geln der Technik zwischen Ver-
tragsschluss und Abnahme.
In einem solchen Fall habe der
Auftragnehmer den Auftragge-
ber grundsätzlich regelmäßig
über die Änderung und die da-
mit verbundenen Konsequen-
zen und Risiken für die Bau-
ausführung zu informieren.
Der Auftraggeber habe – so der
Bundesgerichtshof – sodann im
Regelfall zwei Optionen: Der
Auftraggeber könne zum einen
die Einhaltung der „neuen“ all-
gemein anerkannten Regeln
der Technik verlangen; dies mit
der Folge, dass ein aufwendige-
res Verfahren erforderlich wer-
den kann als im Zeitpunkt des
§
mein anerkannten Regeln der
Technik hat der Auftragneh-
mer zu prüfen, ob ein Mehr-
vergütungsanspruch in Betracht
kommt.
Verschweigt der Auftragnehmer
seinem Auftraggeber eine Än-
derung der für das in Rede ste-
hende Bauvorhaben einschlä-
gigen allgemein anerkannten
Regeln der Technik nach Ver-
tragsabschluss, kann dies im
ungünstigsten Fall zu einem be-
rechtigten Mangelvorwurf füh-
ren, was sich verheerend auf
den wirtschaftlichen Erfolg des
Bauvorhabens auswirken dürfte.
Rechtsanwalt Jörg Teller ist Partner
in der Frankfurter Kanzlei SMNG
Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
(www.smng.de) und berät seit mehr
als 20 Jahren Fenster- und Fassa-
denhersteller sowohl in Bauprozes-
sen als auch außergerichtlich.