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FASSADE 2/2017

BRANCHE

|

Aus der Rechtspraxis

auf einen Zugangsnachweis (Zustellung

per Boten o. ä.) achten.

Der Bedenkenhinweis selbst hat klar, voll-

ständig und erschöpfend zu sein. Der Ad-

ressat – der Bauauftraggeber – muss die Be-

denken sowie die Tragweite der Nichtbefol-

gung nachvollziehen können. Der schlichte

Hinweis auf einen möglichen Verstoß ge-

gen den „Stand der Technik“ oder auf eine

technische Norm kann im Einzelfall unzu-

reichend sein.

Eine eigene Fachkunde des Bauauftragge-

bers befreit den Auftragnehmer nicht von

der Pflicht zur Bedenkenmitteilung.

Schließlich ist im Hinblick auf die aktuel-

le Entscheidung des Oberlandesgerichts

Stuttgart zu beachten, dass der Auftrag-

nehmer grundsätzlich auch dann von ei-

ner Mängelhaftung befreit ist, wenn er ord-

nungsgemäß gemäß § 4 Abs. 3 VOB/B seine

Bedenken mitteilt; der Auftraggeber aber

untätig bleibt und darauf nicht reagiert (vgl.

OLG Stuttgart, IBR 2017, 68).

Bedenken beim Bauen

Werden in einem Bauprozess Mangelvor-

würfe durch den Bauauftraggeber erhoben,

versucht sich mancher Fassadenherstel-

ler als Auftragnehmer mit dem Hinweis zu

verteidigen, dass er zu gegebener Zeit Be-

denken, beispielsweise gegenVorleistungen

anderer Gewerke oder die vorgefundene

Bausituation, mitgeteilt hat. Umso bitterer

kann der Hinweis des Richters sein, dass

die für den Ausgang des Rechtsstreits ent-

scheidende Bedenkenmitteilung unzurei-

chend formuliert ist und insofern die güns-

tigen Rechtsfolgen für den Auftragnehmer

nicht auslösen kann.

Rechtsgrundlagen

Wird in einem Bauvertrag die VOB/B als

Vertragsgrundlage vereinbart, gilt Folgen-

des: Hat der Auftragnehmer Bedenken bei-

spielsweise gegen die von Seiten des Auf-

traggebers vorgesehene Art der Ausfüh-

rung oder gegen die Leistungen anderer

Auftragnehmer, so hat er seine Bedenken

dem Auftraggeber unverzüglich – möglichst

schon vor Beginn der Arbeiten – schrift-

lich mitzuteilen (vgl. § 4 Abs. 3 VOB/B). Die

Rechtsfolgen einer ordnungsgemäßen Be-

denkenmitteilung können erheblich sein.

Grundsätzlich haftet der Bauauftragneh-

mer nach § 13 Abs. 3 VOB/B auch für Män-

gel, die auf der Leistungsbeschreibung, auf

Anordnungen des Auftraggebers oder auf

der Vorleistung anderer Unternehmer be-

ruhen; es sei denn, der Auftragnehmer hat

die ihm nach § 4 Abs. 3 VOB/B obliegen-

de Bedenkenmitteilung gemacht (vgl. § 13

Abs. 3 VOB/B). Insofern führt die richtige

Anwendung des § 4 Abs. 3 VOB/B für den

Auftragnehmer zu einer Haftungserleich-

terung. Meldet der Auftragnehmer im Zu-

ge der Durchführung des Bauvertrages sei-

ne Bedenken beispielsweise gegen die von

der Auftraggeberseite bereitgestellte Fassa-

denunterkonstruktion ordnungsgemäß an,

kann eine Haftung entfallen, wenn sich sei-

ne Bedenken zu einem späteren Zeitpunkt

realisieren und zu Schäden oder einem be-

anstandungswürdigen Arbeitsergebnis füh-

ren. Im Übrigen ist zu beachten, dass die-

se Mitteilungspflichten über den Anwen-

Die Bedenkenmitteilung zählt zu den wichtigsten Instrumenten des

Bauvertragsrechts und kann – bei richtiger Anwendung – erhebliche

Rechtswirkungen zugunsten des Bauauftragnehmers entfalten.

dungsbereich der VOB/B hinaus bestehen

und im Grundsatz auch für den BGB-Werk-

vertrag gelten; also für den Bauvertrag, bei

dem die Geltung der VOB/B nicht verein-

bart ist.

Aktuelle Entscheidung des

Oberlandesgerichts Stuttgart

Nahezu jeden Monat werden neue Ge-

richtsentscheidungen zum Umgang der

Bauvertragsparteien mit Bedenken veröf-

fentlicht. Einer erst kürzlich veröffentlich-

ten Gerichtsentscheidung des Oberlan-

desgerichts Stuttgart vom 21.11.2016 (IBR

2017, 68) lag folgender Sachverhalt zugrun-

de: Der Bauauftragnehmer war von seinem

Auftraggeber im Rahmen eines VOB-Bau-

vertrages mit der Ausführung von Boden-

belagsarbeiten in einem Schulgebäude be-

auftragt. Im Rahmen der Leistungsausfüh-

rung hat der Auftragnehmer gegenüber

seinem Auftraggeber Bedenken im Hin-

blick auf den Untergrund mitgeteilt und er-

klärt, dass er keine Gewährleistung dafür

übernehmen könne, falls es zu Abplatzun-

gen der Spachtelmasse und dadurch zum

Ablösen des von ihm zu verlegenden Bo-

denbelages komme. Im Rahmen der Ent-

scheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart

werden eine ganze Reihe von wichtigen

Punkten im Zusammenhang mit der Be-

denkenmitteilung des Bauauftragnehmers

aufgearbeitet. Erörtert wurde u. a. die Fra-

ge, ob und inwieweit der Auftraggeber auf

eine Bedenkenmitteilung zu reagieren hat,

damit die günstigen Rechtsfolgen für den

Auftragnehmer ausgelöst werden.

Schriftliche Bedenkenmitteilung –

Wichtige Punkte

Mit Blick auf die aktuelle Entscheidung aus

Stuttgart sollte der Fassadenbauer insbe-

sondere auf die folgenden Punkte achten,

wenn er seine Bedenken mitteilt.

Adressat einer Bedenkenmitteilung ist stets

und grundsätzlich der Bauauftraggeber. Im

Hinblick auf eine mögliche streitige Ausei-

nandersetzung sollte der Fassadenbauer bei

der Versendung seiner Bedenkenmitteilung

§

Rechtsanwalt

Jörg Teller ist

Partner in der

Frankfurter Kanz-

lei SMNG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

(www.smng.de

) und berät seit mehr als 20

Jahren Fenster- und Fassadenhersteller sowohl

in Bauprozessen als auch außergerichtlich.