42
FASSADE 2/2017
BRANCHE
|
Aus der Rechtspraxis
auf einen Zugangsnachweis (Zustellung
per Boten o. ä.) achten.
Der Bedenkenhinweis selbst hat klar, voll-
ständig und erschöpfend zu sein. Der Ad-
ressat – der Bauauftraggeber – muss die Be-
denken sowie die Tragweite der Nichtbefol-
gung nachvollziehen können. Der schlichte
Hinweis auf einen möglichen Verstoß ge-
gen den „Stand der Technik“ oder auf eine
technische Norm kann im Einzelfall unzu-
reichend sein.
Eine eigene Fachkunde des Bauauftragge-
bers befreit den Auftragnehmer nicht von
der Pflicht zur Bedenkenmitteilung.
Schließlich ist im Hinblick auf die aktuel-
le Entscheidung des Oberlandesgerichts
Stuttgart zu beachten, dass der Auftrag-
nehmer grundsätzlich auch dann von ei-
ner Mängelhaftung befreit ist, wenn er ord-
nungsgemäß gemäß § 4 Abs. 3 VOB/B seine
Bedenken mitteilt; der Auftraggeber aber
untätig bleibt und darauf nicht reagiert (vgl.
OLG Stuttgart, IBR 2017, 68).
Bedenken beim Bauen
Werden in einem Bauprozess Mangelvor-
würfe durch den Bauauftraggeber erhoben,
versucht sich mancher Fassadenherstel-
ler als Auftragnehmer mit dem Hinweis zu
verteidigen, dass er zu gegebener Zeit Be-
denken, beispielsweise gegenVorleistungen
anderer Gewerke oder die vorgefundene
Bausituation, mitgeteilt hat. Umso bitterer
kann der Hinweis des Richters sein, dass
die für den Ausgang des Rechtsstreits ent-
scheidende Bedenkenmitteilung unzurei-
chend formuliert ist und insofern die güns-
tigen Rechtsfolgen für den Auftragnehmer
nicht auslösen kann.
Rechtsgrundlagen
Wird in einem Bauvertrag die VOB/B als
Vertragsgrundlage vereinbart, gilt Folgen-
des: Hat der Auftragnehmer Bedenken bei-
spielsweise gegen die von Seiten des Auf-
traggebers vorgesehene Art der Ausfüh-
rung oder gegen die Leistungen anderer
Auftragnehmer, so hat er seine Bedenken
dem Auftraggeber unverzüglich – möglichst
schon vor Beginn der Arbeiten – schrift-
lich mitzuteilen (vgl. § 4 Abs. 3 VOB/B). Die
Rechtsfolgen einer ordnungsgemäßen Be-
denkenmitteilung können erheblich sein.
Grundsätzlich haftet der Bauauftragneh-
mer nach § 13 Abs. 3 VOB/B auch für Män-
gel, die auf der Leistungsbeschreibung, auf
Anordnungen des Auftraggebers oder auf
der Vorleistung anderer Unternehmer be-
ruhen; es sei denn, der Auftragnehmer hat
die ihm nach § 4 Abs. 3 VOB/B obliegen-
de Bedenkenmitteilung gemacht (vgl. § 13
Abs. 3 VOB/B). Insofern führt die richtige
Anwendung des § 4 Abs. 3 VOB/B für den
Auftragnehmer zu einer Haftungserleich-
terung. Meldet der Auftragnehmer im Zu-
ge der Durchführung des Bauvertrages sei-
ne Bedenken beispielsweise gegen die von
der Auftraggeberseite bereitgestellte Fassa-
denunterkonstruktion ordnungsgemäß an,
kann eine Haftung entfallen, wenn sich sei-
ne Bedenken zu einem späteren Zeitpunkt
realisieren und zu Schäden oder einem be-
anstandungswürdigen Arbeitsergebnis füh-
ren. Im Übrigen ist zu beachten, dass die-
se Mitteilungspflichten über den Anwen-
Die Bedenkenmitteilung zählt zu den wichtigsten Instrumenten des
Bauvertragsrechts und kann – bei richtiger Anwendung – erhebliche
Rechtswirkungen zugunsten des Bauauftragnehmers entfalten.
dungsbereich der VOB/B hinaus bestehen
und im Grundsatz auch für den BGB-Werk-
vertrag gelten; also für den Bauvertrag, bei
dem die Geltung der VOB/B nicht verein-
bart ist.
Aktuelle Entscheidung des
Oberlandesgerichts Stuttgart
Nahezu jeden Monat werden neue Ge-
richtsentscheidungen zum Umgang der
Bauvertragsparteien mit Bedenken veröf-
fentlicht. Einer erst kürzlich veröffentlich-
ten Gerichtsentscheidung des Oberlan-
desgerichts Stuttgart vom 21.11.2016 (IBR
2017, 68) lag folgender Sachverhalt zugrun-
de: Der Bauauftragnehmer war von seinem
Auftraggeber im Rahmen eines VOB-Bau-
vertrages mit der Ausführung von Boden-
belagsarbeiten in einem Schulgebäude be-
auftragt. Im Rahmen der Leistungsausfüh-
rung hat der Auftragnehmer gegenüber
seinem Auftraggeber Bedenken im Hin-
blick auf den Untergrund mitgeteilt und er-
klärt, dass er keine Gewährleistung dafür
übernehmen könne, falls es zu Abplatzun-
gen der Spachtelmasse und dadurch zum
Ablösen des von ihm zu verlegenden Bo-
denbelages komme. Im Rahmen der Ent-
scheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart
werden eine ganze Reihe von wichtigen
Punkten im Zusammenhang mit der Be-
denkenmitteilung des Bauauftragnehmers
aufgearbeitet. Erörtert wurde u. a. die Fra-
ge, ob und inwieweit der Auftraggeber auf
eine Bedenkenmitteilung zu reagieren hat,
damit die günstigen Rechtsfolgen für den
Auftragnehmer ausgelöst werden.
Schriftliche Bedenkenmitteilung –
Wichtige Punkte
Mit Blick auf die aktuelle Entscheidung aus
Stuttgart sollte der Fassadenbauer insbe-
sondere auf die folgenden Punkte achten,
wenn er seine Bedenken mitteilt.
Adressat einer Bedenkenmitteilung ist stets
und grundsätzlich der Bauauftraggeber. Im
Hinblick auf eine mögliche streitige Ausei-
nandersetzung sollte der Fassadenbauer bei
der Versendung seiner Bedenkenmitteilung
§
Rechtsanwalt
Jörg Teller ist
Partner in der
Frankfurter Kanz-
lei SMNG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
(www.smng.de) und berät seit mehr als 20
Jahren Fenster- und Fassadenhersteller sowohl
in Bauprozessen als auch außergerichtlich.