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FASSADE 6/2016
BRANCHE
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Aus der Rechtspraxis
Rechtswirkungen der Bauabnahme
Von Dr. Rainer Koch
Die fünf Folgewirkungen der Abnahme sind:
1. Ende des Erfüllungsstadiums
Mit Fertigstellung der Bauleistung geht die
Leistung regelmäßig an den Auftraggeber /
Bauherrn zur Nutzung über und das soge-
nannte Erfüllungsstadium ist beendet. Aber
was ist die rechtliche Konsequenz?
Ist die Bauleistung mit Übergabe an den
Bauherrn im wesentlichen vertragsgemäß
erfüllt, dann hat der Auftragnehmer seinen
werkvertraglichen Leistungserfolg herbei-
geführt. Häufig kommt dabei der Zeitfaktor
mittelbar ins Spiel: Ist die Bauleistung zum
Zeitpunkt der Übergabe an den Bauherrn
nicht im wesentlichen mängelfrei (§ 640
BGB bzw. § 12 Abs. 3VOB/B), so ist sie nicht
abnahmereif und die Erfüllungswirkung
tritt nicht ein. Muss der Unternehmer noch
nacharbeiten, um die Erfüllungswirkung
herbeizuführen, werden häufig Baufristen
überschritten, was dann Verzugssituationen
auslösen kann.
2. Umkehr der Beweislast
Gibt es unterschiedliche Auffassungen zwi-
schen Bauherr und Unternehmer über die
Bewertung von etwaigen Mangelsituatio-
nen, so ist die Beweislastverteilung im Streit-
fall ein wichtiges Kriterium für das Ergebnis
einer rechtlichen Auseinandersetzung.
Bis zur Abnahme muss der Unternehmer
nachweisen, dass seine Leistung mängelfrei
ist, d.h. die vertraglich vereinbarte Beschaf-
fenheit hat und den allgemein anerkann-
ten Regeln der Technik entspricht. Mit der
Abnahme geht das Beweislastrisiko auf den
Bauherrn über.
Was heißt Beweislast? Im Zivilprozess geht
es nicht um das Finden der objektivenWahr-
heit, sondern darum, einen Streit zwischen
den Prozessparteien nach gewissen Regu-
larien zu beenden. Wer also die Beweislast
trägt und die ihm günstigen Tatsachen im
Streitfall nicht beweisen kann, verliert den
Prozess. Beispiel: Nach der Abnahme strei-
Warum ist die Abnahme eigentlich eine der wichtigsten Maßnahmen am Bau? Weil an der Abnahme regelmäßig
sehr wichtige Folgewirkungen hängen, die in der Praxis oft nicht bekannt sind oder völlig unterschätzt werden.
Um Fehler und Haftungsrisiken zu vermeiden, ist es auch und gerade für den Planer (Architekt oder Ingenieur)
wichtig, die Abnahme sachgerecht vorzubereiten und richtig umzusetzen. Oft werden Abnahmetermine – wenn
sie überhaupt stattfinden – zu schnell und hektisch abgewickelt, was nachträglich zu Problemen führen kann.
ten sich Bauherr und Unternehmer darüber,
ob ein Mangel vorliegt und ob die mögli-
che Mangelsituation dem Unternehmer auf-
grund fehlerhafter Ausführung seiner Werk-
leistung zuzurechnen ist. Wenn der meist in
solchen Fällen zugezogene Sachverständige
entweder den Mangel nicht bestätigt oder
aber der Mangel dem Unternehmer nicht
zweifelsfrei zugerechnet werden kann, geht
dies zu Lasten des Bauherrn. Ihn trifft die
nachteilige Beweislastsituation nach der Ab-
nahme.
Besonders wichtig: der Mangelvorbehalt.
Bzgl. der Mängel, die der Bauherr substan-
tiiert im Abnahmeprotokoll vorbehalten hat,
verbleibt die Beweislast beim Unternehmer
auch nach der Abnahme. Für den Planer ist
es daher aufgrund seiner Berater- und Sach-
walterstellung im Verhältnis zum Bauherrn
wichtig, die Bauleistungen detailliert zu be-
werten und zu prüfen, damit möglichst alle
Mängel festgestellt und insoweit Vorbehalte
erklärt werden.
3. Beginn der Gewährleistung
Mit der Abnahme beginnt die Gewährleis-
tung, wobei für den Beginn der Fristberech-
nung erst der auf die Abnahme folgende Tag
maßgeblich ist (§ 187 BGB). Unterschiedli-
che Gewährleistungsfristen (z.B. § 13 Abs.
4 Ziff. 2 VOB/B) müssen sachgerecht erfasst
und notiert werden, damit der Ablauf über-
wacht werden kann. Bei Teilabnahmen (§ 13
Abs. 4 Ziff. 3VOB/B) sind die Fristen separart
zu erfassen.
4. Übergang der Gefahr
Das Risiko von Beschädigung, Zerstörung
und Diebstahl (Gefahrtragungsrisiko) liegt
bis zur Abnahme beim Unternehmer und
geht mit der Abnahme auf den Bauherrn über
(§ 644 BGB bzw. § 7 VOB/B). Die VOB/B ent-
hält eine leichte Privilegierung für den Unter-
nehmer, wenn für ihn nachweisbar objektiv
unabwendbare Umstände vorgelegen haben.
5. Fälligkeit der Schlussrechnung
Ohne Abnahme – egal in welcher Form sie
stattfindet – wird die Schlussrechnung nicht
fällig. Dies ist zwar ausschließlich im Gesetz
(§ 641 Abs. 1 BGB) geregelt. Jedoch greift das
Gesetz in solchen Fällen auch beimVOB/B-
Vertrag ein, wenn dieVOB/B keine Regelun-
gen enthält.
Empfehlungen für die Praxis
Alle Wirkungen der Abnahme sind für den
Bauherrn nachteilig, so dass er eigentlich
kein echtes Interesse an der Abnahme hat, er
will lediglich die Leistung haben. Gleichwohl
ist es für beide Bauvertragsparteien wichtig,
klare rechtliche Strukturen zu schaffen. Die
Abnahme sollte daher bewusst und kom-
petent durchgeführt werden, was durch ei-
ne förmliche Abnahme (§ 12 Abs. 4 VOB/B)
g ewä h r l e i s t e t
wird. Die we-
sentlichen Fakten
sind schriftlich zu
protokollieren.
§
Dr. Rainer Koch
ist Rechtsanwalt
und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
und Mitgesellschafter der Kanzlei Dr. Koch Do-
robek & Kollegen in Wiesbaden. Außerdem ist
er Gesellschafter-Geschäftsführer der Bauaka-
demie Dr. Koch GmbH (Wiesbaden).
Dr. Rainer Koch