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GLAS+RAHMEN

03.19

EDITORIAL

Warten auf den Handwerker

Liebe Leserin, lieber Leser,

kürzlich lauschte ich während einer Auto-

fahrt dem Radioprogramm, und eine Aus-

sage des Moderators ließ mich aufhor-

chen. Im Kontext eines Gesprächs über das

Handwerk erklärte der, dass es mittlerweile

einfacher sei, einen Termin bei einem Fach-

arzt zu bekommen als einen Handwerker.

Mit dieser Meinung steht der Radiomann

offensichtlich nicht allein. Wo und bei wel-

cher Gelegenheit auch immer das Gespräch

auf Bauhandwerker fällt, hört man missmu-

tiges Stöhnen darüber, wie schwer es zur-

zeit sei, einen Handwerker zu bekommen.

Und noch ungleich schwieriger sei die Su-

che nach einem qualifizierten Fachmann,

der auch Kunden mit kleineren Aufträgen

ernst nehme.

fehlt der Nachwuchs. Mittlerweile begin-

nen mehr Jugendliche ein Studium als eine

Ausbildung. 2018 haben knapp  Prozent

aller jungen Menschen eines Geburtsjahr-

gangs ein Studium aufgenommen. Zum

Vergleich: Noch bis 200 lag die Studien-

anfängerquote regelmäßig unter 0 Pro-

zent. Seither geht es steil nach oben. Das

hat natürlich Auswirkungen: Der Akade-

misierungswahn, wie er in bildungswis-

senschaftlichen und -politischen Krei-

sen inzwischen genannt wird, sorgt für ei-

ne Akademikerschwemme. Für viele endet

der Traum vom gut

dotierten Top-Job

spätestens nach ih-

rem Abschluss. Für

Die kritischen Einschätzungen spiegeln

zumindest im Ansatz die aktuelle Realität

bei der Handwerkersuche wider. Die Auf-

tragsbücher der am Bau beteiligten Betriebe

sind voll, die Terminkalender ebenso. Hän-

deringend suchen Unternehmen von Flens-

burg bis Garmisch qualifizierte Facharbei-

ter. Ein schwieriges Unterfangen, denn der

Markt ist leergefegt, und zudem steht man

in Konkurrenz zu Industriebetrieben, die

in der Regel angenehmere Arbeitsbedin-

gungen und höhere Löhne bieten – ein alt-

bekanntes Problem. Schon immer hat das

Handwerk gute Leute an die Industrie ver-

loren. Eine Entspannung der Lage ist ange-

sichts der anhaltend starken Bautätigkeit in

absehbarer Zeit nicht in Sicht.

Im Gegenteil, meines Erachtens wird

sich die Situation auf lange Sicht noch wei-

ter verschärfen, denn auch dem Handwerk

andere auch schon vorher: Die Studien-

abbrecherquoten steigen.

Facharbeiter im Handwerk und in der In-

dustrie fehlen hingegen. Dabei gilt das dua-

le Ausbildungssystem in Deutschland inter-

national als vorbildlich – übrigens auch im

Hinblick auf Anschlussmöglichkeiten in der

beruflichen Bildung und damit verbunde-

ne Karrierechancen (siehe Abi + Ausbildung

auf Seite  und auf

www.glas-rahmen.de)

.

Diesen Trend im Hinterkopf drängt sich

die Vermutung auf, dass sich in einigen Jah-

ren viele Akademiker, deren Fachrichtun-

gen von der Wirtschaft nicht dringend ge-

braucht werden, wohl mit einem kleine-

ren Gehalt als hochqualifizierte Handwer-

ker zufriedengeben müssen. Das Handwerk

wird dann wieder goldenen Boden bekom-

men. Nicht die schlechteste Vorstellung.

JÜrgen vÖssing

Jürgen Vössing,

Chefredakteur

Glas+Rahmen

„FachKrÄftemangel

Wird sich

Weiter verschÄrfen.“

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