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FASSADE 2/2018
grenzender Wahrscheinlichkeit
das Ergebnis hat, dass die vom
Auftraggeber vorgesehene Art
der Ausführung zum Eintritt ei-
nes erheblichen Leistungsman-
gels oder eines sonstigen nicht
nur geringfügigen Schadens füh-
ren wird. Aus Sicht des Oberlan-
desgerichts Düsseldorf sei es ein
Verstoß gegen den Grundsatz
von Treu und Glauben, wenn der
Auftraggeber vom Auftragneh-
mer verlangen dürfte, durch ei-
genes Handeln einen so gut wie
sicher voraussehbaren (Sach-
bzw. Personen-)Schaden her-
beizuführen. Die vorstehenden
Grundsätze würden erst recht
gelten, wenn durch eine mit Ge-
wissheit mangelhafte Leistung
eine unmittelbar Gefahr für Leib
und Leben Dritter drohe. Der
Auftragnehmer sei für die vorste-
henden Gründe einer sein Leis-
tungsverweigerungsrecht
be-
gründenden
Unzumutbarkeit
darlegungs- und beweispflich-
tig. Dementsprechend kann dem
Auftragnehmer nach den vorste-
henden Grundsätzen ein – über
die Haftungsbefreiung hinaus-
gehendes – Leistungsverweige-
rungsrecht zustehen (OLG Düs-
seldorf, Urteil vom 02.03.2018,
Az: 22 U 71/17).
Für die Praxis
Rechtsfolge einer ordnungsge-
mäßen Bedenkenmitteilung nach
§ 4 Abs. 3 VOB/B ist
nicht
ohne
weiteres ein Leistungsverweige-
rungsrecht des Auftragnehmers.
Das OLG Düsseldorf befasst sich
im Rahmen seiner Entscheidung
mit einem „Ausnahmesachver-
Leistungsverweigerungsrecht des
Auftragnehmers bei Bedenken?
Pflicht zur
Bedenkenmitteilung
Hat der Bauauftragnehmer Be-
denken beispielsweise gegen die
vom Auftraggeber vorgesehene
Art der Ausführung oder gegen
die Leistungen anderer Unter-
nehmer, so hat er seine Beden-
ken dem Auftraggeber unver-
züglich – möglichst schon vor
Beginn der Arbeiten – schriftlich
mitzuteilen; § 4 Abs. 3 VOB/B.
Nach § 13 Abs. 3 VOB/B gilt Fol-
gendes: Ist ein Mangel beispiels-
weise auf Anordnungen des Auf-
traggebers, auf die von diesem
gelieferten oder vorgeschriebe-
nen Stoffe oder Bauteile oder
die Beschaffenheit der Vorleis-
tung eines anderen Unterneh-
mers zurückzuführen, haftet der
Auftragnehmer grundsätzlich,
es sei denn, er hat die ihm nach
§ 4 Abs. 3VOB/B obliegende (Be-
denken-)Mitteilung gemacht.
Fall des OLG Düsseldorf
Die Auftraggeberin als Kläge-
rin hatte die Auftragnehmerin
als Beklagte im Rahmen eines
VOB/B-Bauvertrages mit Dach-
decker- und Abdichtungsarbei-
ten an einem Neubauvorhaben
der Auftraggeberin beauftragt.
Im Rahmen der Leistungsaus-
führung entstand Streit u. a.
wegen der angeordneten Ab-
dichtung von nicht gedämmten
Terrassen/Balkonen sowie be-
treffend die Ausführung einer
gefällelosen Abdichtung. Im Zu-
sammenhang mit Bedenkenmit-
teilungen des Auftragnehmers
kam es letztendlich zur Kündi-
Die ordnungsgemäße Bedenkenmitteilung nach § 4 Abs. 3 VOB/B kann beim VOB-Bauvertrag
zu einer Haftungserleichterung zugunsten des Bauauftragnehmers führen und damit erhebliche
Rechtswirkungen zu seinen Gunsten entfalten. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat sich in einem
bemerkenswerten Urteil Anfang März 2018 mit der Frage beschäftigt, ob eine Bedenkenmitteilung
Grundlage eines Leistungsverweigerungsrechts des Auftragnehmers sein kann.
gung des Bauvertrages und zum
Streit über die Erstattung einer
angeblichen Überzahlung zu-
gunsten des Auftragnehmers so-
wie Zahlung von Mehraufwen-
dungen des Auftraggebers. Das
Oberlandesgericht Düsseldorf
hat sich im Rahmen seiner Ent-
scheidung in bemerkenswerter
Weise mit den Rechtsfolgen ei-
ner Bedenkenmitteilung nach
§ 4 Abs. 3VOB/B befasst und Fol-
gendes herausgearbeitet:
Die Vorschrift des § 4 Abs. 3
VOB/B enthalte keine Anwei-
sung an den Auftraggeber, wie er
sich nach der ordnungsgemäßen
Mitteilung von Bedenken durch
den Auftragnehmer zu verhalten
habe. Die Folgen seien nach all-
gemeinen rechtlichen Gesichts-
punkten zu werten, da der Auf-
traggeber „nunmehr“ die Ver-
pflichtung habe, auf die ihm
mitgeteilten Bedenken zu re-
agieren. Soweit der Auftragge-
ber nach dem Bedenkenhinweis
auf dem bisherigen Vertragsin-
halt oder seinen bisherigen An-
ordnungen bestehe, weil er die
Bedenken des Auftragnehmers
nicht teile, müsse der Auftrag-
nehmer grundsätzlich die An-
ordnungen des Auftraggebers
ausführen, wenn nicht gesetz-
liche oder behördliche Bestim-
mungen entgegenstünden. In-
des sei dem Auftragnehmer im
Einzelfall darüber hinaus – so
das OLG Düsseldorf – ein Leis-
tungsverweigerungsrecht zuzu-
erkennen, wenn er dem Auftrag-
geber nicht nur ordnungsgemäß
seine Bedenken mitgeteilt hat,
sondern wenn die Prüfung die-
ser Bedenken mit an Sicherheit
halt“. Das vom Gericht ange-
sprochene Leistungsverweige-
rungsrecht kann im Einzelfall –
so das Urteil – dann in Betracht
kommen, wenn der Auftragneh-
mer nicht nur ordnungsgemäß
seine Bedenken mitgeteilt hat,
sondern wenn die Prüfung die-
ser Bedenken mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit
das Ergebnis hat, dass die vom
Auftraggeber vorgesehene Art
der Ausführung zum Eintritt ei-
nes erheblichen Leistungsman-
gel, eines sonstigen nicht nur ge-
ringfügigen Schadens und/oder
zu einer Gefahr für Leib und Le-
ben führen wird. Im Rahmen ei-
nes Bauprozesses ist der Auf-
tragnehmer hierfür in vollem
Umfang darlegungs- und be-
weispflichtig.
Rechtsanwalt Jörg Teller ist Partner
in der Frankfurter Kanzlei SMNG
Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
(www.smng.de)
BRANCHE
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Aus der Rechtspraxis
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