Previous Page  54 / 60 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 54 / 60 Next Page
Page Background

54

FASSADE 2/2018

grenzender Wahrscheinlichkeit

das Ergebnis hat, dass die vom

Auftraggeber vorgesehene Art

der Ausführung zum Eintritt ei-

nes erheblichen Leistungsman-

gels oder eines sonstigen nicht

nur geringfügigen Schadens füh-

ren wird. Aus Sicht des Oberlan-

desgerichts Düsseldorf sei es ein

Verstoß gegen den Grundsatz

von Treu und Glauben, wenn der

Auftraggeber vom Auftragneh-

mer verlangen dürfte, durch ei-

genes Handeln einen so gut wie

sicher voraussehbaren (Sach-

bzw. Personen-)Schaden her-

beizuführen. Die vorstehenden

Grundsätze würden erst recht

gelten, wenn durch eine mit Ge-

wissheit mangelhafte Leistung

eine unmittelbar Gefahr für Leib

und Leben Dritter drohe. Der

Auftragnehmer sei für die vorste-

henden Gründe einer sein Leis-

tungsverweigerungsrecht

be-

gründenden

Unzumutbarkeit

darlegungs- und beweispflich-

tig. Dementsprechend kann dem

Auftragnehmer nach den vorste-

henden Grundsätzen ein – über

die Haftungsbefreiung hinaus-

gehendes – Leistungsverweige-

rungsrecht zustehen (OLG Düs-

seldorf, Urteil vom 02.03.2018,

Az: 22 U 71/17).

Für die Praxis

Rechtsfolge einer ordnungsge-

mäßen Bedenkenmitteilung nach

§ 4 Abs. 3 VOB/B ist

nicht

ohne

weiteres ein Leistungsverweige-

rungsrecht des Auftragnehmers.

Das OLG Düsseldorf befasst sich

im Rahmen seiner Entscheidung

mit einem „Ausnahmesachver-

Leistungsverweigerungsrecht des

Auftragnehmers bei Bedenken?

Pflicht zur

Bedenkenmitteilung

Hat der Bauauftragnehmer Be-

denken beispielsweise gegen die

vom Auftraggeber vorgesehene

Art der Ausführung oder gegen

die Leistungen anderer Unter-

nehmer, so hat er seine Beden-

ken dem Auftraggeber unver-

züglich – möglichst schon vor

Beginn der Arbeiten – schriftlich

mitzuteilen; § 4 Abs. 3 VOB/B.

Nach § 13 Abs. 3 VOB/B gilt Fol-

gendes: Ist ein Mangel beispiels-

weise auf Anordnungen des Auf-

traggebers, auf die von diesem

gelieferten oder vorgeschriebe-

nen Stoffe oder Bauteile oder

die Beschaffenheit der Vorleis-

tung eines anderen Unterneh-

mers zurückzuführen, haftet der

Auftragnehmer grundsätzlich,

es sei denn, er hat die ihm nach

§ 4 Abs. 3VOB/B obliegende (Be-

denken-)Mitteilung gemacht.

Fall des OLG Düsseldorf

Die Auftraggeberin als Kläge-

rin hatte die Auftragnehmerin

als Beklagte im Rahmen eines

VOB/B-Bauvertrages mit Dach-

decker- und Abdichtungsarbei-

ten an einem Neubauvorhaben

der Auftraggeberin beauftragt.

Im Rahmen der Leistungsaus-

führung entstand Streit u. a.

wegen der angeordneten Ab-

dichtung von nicht gedämmten

Terrassen/Balkonen sowie be-

treffend die Ausführung einer

gefällelosen Abdichtung. Im Zu-

sammenhang mit Bedenkenmit-

teilungen des Auftragnehmers

kam es letztendlich zur Kündi-

Die ordnungsgemäße Bedenkenmitteilung nach § 4 Abs. 3 VOB/B kann beim VOB-Bauvertrag

zu einer Haftungserleichterung zugunsten des Bauauftragnehmers führen und damit erhebliche

Rechtswirkungen zu seinen Gunsten entfalten. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat sich in einem

bemerkenswerten Urteil Anfang März 2018 mit der Frage beschäftigt, ob eine Bedenkenmitteilung

Grundlage eines Leistungsverweigerungsrechts des Auftragnehmers sein kann.

gung des Bauvertrages und zum

Streit über die Erstattung einer

angeblichen Überzahlung zu-

gunsten des Auftragnehmers so-

wie Zahlung von Mehraufwen-

dungen des Auftraggebers. Das

Oberlandesgericht Düsseldorf

hat sich im Rahmen seiner Ent-

scheidung in bemerkenswerter

Weise mit den Rechtsfolgen ei-

ner Bedenkenmitteilung nach

§ 4 Abs. 3VOB/B befasst und Fol-

gendes herausgearbeitet:

Die Vorschrift des § 4 Abs. 3

VOB/B enthalte keine Anwei-

sung an den Auftraggeber, wie er

sich nach der ordnungsgemäßen

Mitteilung von Bedenken durch

den Auftragnehmer zu verhalten

habe. Die Folgen seien nach all-

gemeinen rechtlichen Gesichts-

punkten zu werten, da der Auf-

traggeber „nunmehr“ die Ver-

pflichtung habe, auf die ihm

mitgeteilten Bedenken zu re-

agieren. Soweit der Auftragge-

ber nach dem Bedenkenhinweis

auf dem bisherigen Vertragsin-

halt oder seinen bisherigen An-

ordnungen bestehe, weil er die

Bedenken des Auftragnehmers

nicht teile, müsse der Auftrag-

nehmer grundsätzlich die An-

ordnungen des Auftraggebers

ausführen, wenn nicht gesetz-

liche oder behördliche Bestim-

mungen entgegenstünden. In-

des sei dem Auftragnehmer im

Einzelfall darüber hinaus – so

das OLG Düsseldorf – ein Leis-

tungsverweigerungsrecht zuzu-

erkennen, wenn er dem Auftrag-

geber nicht nur ordnungsgemäß

seine Bedenken mitgeteilt hat,

sondern wenn die Prüfung die-

ser Bedenken mit an Sicherheit

halt“. Das vom Gericht ange-

sprochene Leistungsverweige-

rungsrecht kann im Einzelfall –

so das Urteil – dann in Betracht

kommen, wenn der Auftragneh-

mer nicht nur ordnungsgemäß

seine Bedenken mitgeteilt hat,

sondern wenn die Prüfung die-

ser Bedenken mit an Sicherheit

grenzender Wahrscheinlichkeit

das Ergebnis hat, dass die vom

Auftraggeber vorgesehene Art

der Ausführung zum Eintritt ei-

nes erheblichen Leistungsman-

gel, eines sonstigen nicht nur ge-

ringfügigen Schadens und/oder

zu einer Gefahr für Leib und Le-

ben führen wird. Im Rahmen ei-

nes Bauprozesses ist der Auf-

tragnehmer hierfür in vollem

Umfang darlegungs- und be-

weispflichtig.

Rechtsanwalt Jörg Teller ist Partner

in der Frankfurter Kanzlei SMNG

Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

(www.smng.de

)

BRANCHE

|

Aus der Rechtspraxis

§