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FASSADE 1/2018
Richtlinie richtig angewandt?
Verglasungen von Fenstern und Fassaden,
die transparent sind, haben neben der Er-
füllung der technischen Anforderungen pri-
mär die Aufgabe, Licht in den Raum zu las-
sen und eine ungehinderte Durchsicht von
innen nach außen zu ermöglichen. Eine Be-
wertung von Auffälligkeiten und optischen
Beeinträchtigungen, wie zum Beispiel Krat-
zern, sollte nach dem Gesichtspunkt erfol-
gen, inwieweit die Funktion der Gläser –
zum Beispiel die Durchsicht – bei normaler
Nutzung behindert oder beeinflusst wird.
Entscheidend bei der Beurteilung ist die
Durchsicht durch die Scheibe und nicht die
Aufsicht.
Richtlinie ist nicht gleich Norm
Die „Richtlinie zur Beurteilung der visu-
ellen Qualität von Glas im Bauwesen“ ist
von interessierten Kreisen erarbeitet wor-
den, deren Hauptaugenmerk darauf ausge-
richtet ist, unvermeidbare oder nur mit sehr
großem Aufwand vermeidbare Beeinträch-
tigungen von hochwertigen Baugläsern bis
zu einer bestimmten Größenordnung zu-
zulassen. Es handelt sich demnach um ei-
ne Anwendungsrichtlinie innerhalb der Be-
ziehung zwischen Hersteller undVerarbeiter
von Glasprodukten. Die Richtlinie ist kein
Regelwerk für die Beziehung zwischen Lie-
feranten und Endabnehmern. Anderes gilt
nur, wenn die Beurteilung von Mängeln und
Schäden anVerglasungen nach dieser Richt-
linie vertraglich vereinbart wurde. Die Richt-
linie ist keine Norm, die als anerkannte Re-
gel der Technik gelten kann, auch wenn sie
inzwischen langjährig existiert. Sie dient als
Hilfsmittel bei der Bewertung von zumutba-
ren oder nicht zumutbaren Beeinträchtigun-
gen. Dies bedeutet keinesfalls, dass Glasfeh-
ler und optische Erscheinungen unterhalb
der hierin beschriebenen Grenzen keine
Mängel oder Schäden darstellen. Sind al-
so Kratzer oder andere Beeinträchtigungen
vorhanden, so wird mit dieser Richtlinie le-
diglich eine Hilfestellung bei der Beurteilung
der Zumutbarkeit gegeben.
Beurteilung ist Sache des
Sachverständigen
Die Beurteilung der Auswirkung von Be-
einträchtigungen ist vom Sachverständigen
vorzunehmen.
In der Richtlinie ist vorgegeben, dass die
Beurteilung zum Beispiel nur bei diffusem
Licht, das heißt bei Bewölkung erfolgen
darf. Aus Sachverständigensicht kann je-
doch nicht ignoriert werden, dass über das
Jahr gesehen sehr häufig die Sonne scheint
Das Haus ist im Bau. Die Fenster werden geliefert und eingebaut. Die Scheiben weisen im
Scheibenzwischenraum Schmutz und sichtbare Saugerabdrücke auf. Hierbei handelt es sich
offensichtlich um einen Mangel, der dann vorliegt, wenn der Käufer nicht erhalten hat, was
vereinbart wurde, oder was er erwarten konnte. Oder ein anderes Beispiel: Das Haus ist zum Bezug
fertig. Die Endreinigung ist durchgeführt. Die Scheiben weisen Kratzer auf. In diesem Fall handelt
es sich vermutlich um einen durch Sachverständige zu beurteilenden Schaden. Der Lieferant bzw.
Handwerker nimmt die Beurteilung zum Beispiel von Kratzern häufig nach der „Richtlinie zur
Beurteilung der visuellen Qualität von Glas im Bauwesen“
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vor. Ist das zulässig?
TECHNIK
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Aus der Sachverständigenpraxis
Foto 1: Saugerabdrücke, die nur auf einer kondensierten Scheibe sichtbar sind.
Foto 2: Saugerabdrücke, die nur bei Sonnenschein sichtbar sind.
SAK Glas (3)