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FASSADE 1/2017
auf die technische Schlüssigkeit bezogen; sie
habe sich dagegen nicht zur Vertragsgerech-
tigkeit der Ausführung verhalten.
Hinweis für die Praxis
Im Rahmen der Beantwortung der Fra-
ge, ob die Freigabe von Plänen eine (Ände-
rungs-) Anordnung im Sinne der §§ 1 Abs.
3/4 VOB/B darstellt und damit zu Mehrver-
gütungsansprüchen nach den §§ 2 Abs. 5/6
VOB/B führen kann, ist der jeweilige Einzel-
fall auszuwerten. Grundsätzlich gilt zur The-
matik Folgendes:
Legt der Auftragnehmer eine von ihm zu er-
stellende Planunterlage mit „versteckten“
Änderungen vor und weist gegenüber dem
Auftraggeber nicht mit der gebotenen Klar-
heit auf Abweichungen gegenüber den ver-
traglichen Maßgaben hin, wird sich hier-
durch kaum ein durchsetzbarer Mehrvergü-
tungsanspruch des Auftragnehmers ergeben.
Anspruchsbegründungen des Bauauftrag-
nehmers, die sich letztlich auf „versteckte“
oder „untergeschobene“ Planänderungen
beziehen, bergen mithin erhebliche Durch-
setzungsrisiken zu Lasten des Auftragneh-
mers.Von der Thematik betroffene Fassaden-
bauer mögen ihr Vorgehen im Rahmen des
Nachtragsmana
gements kritisch
prüfen.
BRANCHE
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Aus der Rechtspraxis
„Untergeschobene“ Planänderungen
Mancher Fassadenhersteller versucht sich
sein Nachtragsmanagement dadurch zu er-
leichtern, dass er sich von seinem Auftrag-
geber technisch anspruchsvolle und kom-
plexe Planunterlagen mit seinen kaum er-
kennbaren Änderungen zur Ausführung
freigeben lässt. Ob sich mit „versteckten“
Änderungseintragungen Mehrvergütungs-
ansprüche generieren lassen, ist regelmäßig
Gegenstand von Bauprozessen.
Typische Ausgangssituation im
Fassadenbau
Der Fassadenhersteller wird als Auftragneh-
mer eines VOB-Bauvertrages von seinem
Auftraggeber mit Liefer- und Montageleis-
tungen im Zusammenhang mit der Errich-
tung einer aufwendigen Fassadenkonstruk-
tion beauftragt. Im Zuge der Durchführung
des VOB-Bauvertrages ergeben sich techni-
sche Anforderungen betreffend Änderun-
gen/Ergänzungen zum ursprünglich be-
auftragten Leistungsumfang; beispielswei-
se Änderungen hinsichtlich des Materials
oder der Konstruktion der Fassade. Da der
Auftragnehmer weiß, dass der Auftragge-
ber über ein knappes Budget verfügt und
sich die Abstimmung zu Mehrleistungen
und damit zu einer Mehrvergütung langwie-
rig, schwierig und oftmals ärgerlich gestaltet,
verfährt er im Hinblick auf die im Raum ste-
henden Leistungsänderungen/-ergänzun-
gen wie folgt:
Im Zuge der Vorlage von Ausführungsplä-
nen, die der Auftragnehmer nach dem Ver-
trag auszuarbeiten hat, legt er dem Auftrag-
geber einen Werk-/Fertigungsplan zur Frei-
gabe vor, der Änderungen/Ergänzungen
zum vertraglichen Leistungsumfang enthält.
Da es sich um eine technisch anspruchsvol-
le und komplexe Planunterlage handelt, sind
die Änderungen/Ergänzungen für den Auf-
traggeber nicht ohne weiteres erkennbar;
einen Hinweis, beispielsweise in einem Be-
gleitschreiben, auf Änderungen erteilt der
Auftragnehmer nicht. Erfolgt die Freigabe
der (Ausführungs-)Pläne, bewertet dies der
Auftragnehmer auch im Sinne der Anord-
nung von geänderten/zusätzlichen Leistun-
Der Weg zu einem durchsetzbaren Mehrvergütungsanspruch ist für den
Bauauftragnehmer oftmals steinig. Dies, weil der Bauauftraggeber regel-
mäßig eine günstige Bauausführung wünscht und sich mit der Anordnung
von – vergütungspflichtigen – Mehrleistungen zurückhält.
gen und folgert einen Mehrvergütungsan-
spruch.
In den sich hieraus ergebenden Bauprozes-
sen argumentiert der Auftraggeber regelmä-
ßig dahingehend, dass es sich um „unterge-
schobene“ Änderungen handelt, die keinen
Mehrvergütungsanspruch des Auftragneh-
mers auslösen können.
Entscheidungen des Oberlandes
gerichts Naumburg und des BGH
Das Oberlandesgericht Naumburg und da-
nach der Bundesgerichtshof (BGH) hatten
sich im Rahmen von Ende 2016 veröffent-
lichten Entscheidungen mit „untergescho-
benen“ Planänderungen, Planfreigaben des
Auftraggebers und Mehrvergütungsforde-
rungen des Auftragnehmers zu befassen (vgl.
OLG Naumburg, Urteil vom 13.10.2014, 12
U 110/14; BGH, Beschluss vom 13.07.2016 –
VII ZR 274/14).
Die Gerichte haben in einem ähnlichen wie
dem oben dargestellten Fall entschieden,
dass die Voraussetzungen eines Mehrvergü-
tungsanspruches nicht vorliegen.
Aus Sicht der Gerichte liege im entschiede-
nen Fall einer „untergeschobenen“ Planän-
derung bereits keine Anordnung des Bauauf-
traggebers im Sinne des § 2 Abs. 5VOB/B vor.
§ 2 Abs. 5 VOB/B verlange eine eindeutige,
die vertragliche Leistungspflicht des Auftrag-
nehmers ändernde oder erweiternde Erklä-
rung des Auftraggebers. Diese muss als ei-
ne auf den Vertrag bezogene und diesen ab-
ändernde Erklärung für den Auftragnehmer
verpflichtend sein.
Die Freigabe von Plänen, die der Auftrag-
nehmer im Rahmen der ihm übertragenen
Leistungspflichten zu erstellen hat, stelle
aber im Regelfall keine Anordnung des Auf-
traggebers dar, wenn der Auftragnehmer ab-
weichend vom vertraglichen Bausoll darin
eine andere Ausführung als geschuldet ein-
getragen hat. Die Freigabe durch den Auf-
traggeber beschränke sich nach ihrem Erklä-
rungswert nur auf die technische Schlüssig-
keit. Bei der in Rede stehenden Planfreigabe
habe es sich um eine „bloße Freigabeerklä-
rung“ gehandelt. Diese habe sich lediglich
§
Rechtsanwalt
Jörg Teller ist
Partner in der
Frankfurter Kanz-
lei SMNG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
(wwwsmng.de)und berät seit mehr als 20
Jahren Fenster- und Fassadenhersteller sowohl
in Bauprozessen als auch außergerichtlich.