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FASSADE 5/2018

BRANCHE

|

Aus der Rechtspraxis

Unterlässt der Auftragnehmer

dies, bleibt es bei der vereinbar-

ten Soll-Beschaffenheit und bei

der Bejahung eines Mangels,

wenn eine andere Folie einge-

baut wird (OLG München/BGH

Beschluss vom 07.03.2018 – VII

ZR 121/17).

Für die Praxis

Der entscheidende Fehler des

Auftragnehmers war es aus

Sicht der Gerichte, dass er sich

im Hinblick auf die Verfügbar-

keit der vertraglich vorgesehe-

nen Dichtungsbahn für den Fas-

saden-/Sockelbereich nicht mit

seinem Auftragnehmer ins Be-

nehmen gesetzt hat, ihn auf das

Lieferproblem aufmerksam ge-

macht und eine Vertragsanpas-

sung betreffend die Ausführung

einer anderen Folienqualität

herbeigeführt hat.

Zu Nachweiszwecken sollte die

insofern gebotene Vereinbarung

schriftlich erfolgen und die Un-

terschrift von Auftraggeber und

Auftragnehmer tragen. Wird

dem Auftraggeber keine Ent-

scheidung abverlangt und nach

Leistungserbringung

darauf

hingewiesen, dass der Baustoff

ohnehin gleichwertig zum ver-

traglich vorgesehenen sei, führt

dies für den Auftragnehmer zu

erheblichen Abwicklungsrisiken

und gefährdet den wirtschaftli-

chen Erfolg des Bauvorhabens.

Im Übrigen sei dem Auftrag-

nehmer angeraten, ein ihm vor-

gelegtes Leistungsverzeichnis

bereits im Angebotsstadium un-

Im LV genanntes Produkt gibt

es nicht (mehr) – und nun?

Aktueller Fall

Ein öffentlicher Auftragge-

ber hat im Zusammenhang mit

Bauleistungen für eine Kinder-

tagesstätte Abdichtungsarbei-

ten im Fassaden-/Sockelbereich

ausgeschrieben. Im Leistungs-

verzeichnis wurde hinsichtlich

der auszuführenden Dichtungs-

bahnen kein bestimmtes Pro-

dukt genannt. In der Leistungs-

beschreibung wurde lediglich

eine Dicke der Dichtungsbahn

von 1,5 mm verlangt. Nach dem

Zuschlag hat der Bauauftrag-

nehmer festgestellt, dass es am

Markt für den konkreten An-

wendungsfall offenbar kein Pro-

dukt mit der ausgeschriebenen

Stärke von 1,5 mm gibt. Um sei-

ne Bauleistungen im Fassaden-

bereich zügig voranzubringen,

hat der Auftragnehmer ohne

weitere Rücksprachen eine Fo-

lie eingebaut, die eine Dicke von

1,2 mm aufweist.

Später kam es zu Wasserschä-

den und einem Rechtsstreit, in

dessen Rahmen vom Auftrag-

nehmer Schadensersatz ver-

langt wurde.

Der Auftragnehmer hat sich mit

dem Hinweis verteidigt, dass

kein bestimmtes Produkt ausge-

schrieben gewesen sei und dass

die von ihm verbaute 1,2 mm

dicke Folie funktionell gleich

geeignet wäre. Ergänzend hat

der Auftragnehmer im Rahmen

des Rechtsstreits auf einen Pla-

nungsfehler des Auftraggebers

hingewiesen; dies, weil ein Pro-

dukt ausgeschrieben worden

Gegenstand des Bauvertrages wird regelmäßig ein mehr oder weniger umfangreiches

Leistungsverzeichnis. Was ist in rechtlicher Hinsicht zu beachten, wenn der Auftragnehmer im

Rahmen der Vertragsdurchführung feststellt, dass ein im Leistungsverzeichnis vorgesehener und

damit vertraglich vereinbarter Baustoff nicht oder nicht mehr am Markt erhältlich ist? Mit dieser

Fallgestaltung haben sich das Oberlandesgericht München und der Bundesgerichtshof in einer

kürzlich veröffentlichten Entscheidung beschäftigt.

sei, das es auf dem Markt nicht

gebe (OLG München/BGH Be-

schluss vom 07.03.2018 – VII ZR

121/17).

Ansicht der Gerichte

Die Gerichte lassen die Argu-

mente des Auftragnehmers

nicht gelten.

Zunächst wird festgestellt, dass

die Leistung des Auftragneh-

mers dann mangelhaft ist, wenn

die Ist- von der Soll-Beschaffen-

heit abweicht; wenn sich mit-

hin die erbrachte Leistung nicht

mit der vertraglich vereinbarten

deckt.

Das Oberlandesgericht Mün-

chen weist weiter auf Folgendes

hin. Gibt es ein im Leistungs-

verzeichnis genanntes Produkt

(hier: 1,5 mm dicke Abdich-

tungsfolie) auf dem Markt nicht,

darf der Auftragnehmer nicht

einfach auf ein anderes Produkt

(mit geringerer Dicke) auswei-

chen, sondern er muss sich mit

dem Auftraggeber zuerst ins

Benehmen setzen und auf eine

Vertragsanpassung hinwirken.

ter anderem sorgfältig daraufhin

zu prüfen, ob die dort genann-

ten Baustoffe/Bauteile auch tat-

sächlich lieferbar bzw. verfügbar

sind; auch wenn sich dies in der

Praxis oft wegen des Umfangs

und der Komplexität manches

Leistungsverzeichnisses sowie

im Hinblick auf die regelmäßig

knapp bemessenen zeitlichen

Kapazitäten schwierig gestalten

kann. Erkennt er ein Lieferpro-

blem, hat er dies grundsätzlich

im Rahmen des Zustandekom-

mens des Vertrages mitzuteilen

und auf eine Klärung des Ver-

tragsinhalts hinzuwirken. Er-

folgt dies nicht und werden ent-

sprechende Passagen überle-

sen, kann dies bedeuten, dass

sich der Auftragnehmer zu einer

– im Rechtssinne – „unmögli-

chen“ Leistung verpflichtet, was

unter anderem nicht unerheb-

liche Schadensersatzansprüche

des Bauauftraggebers auslösen

kann.

Rechtsanwalt Jörg Teller ist Fach-

anwalt für Bau- und Architekten-

recht in der Frankfurter Kanzlei

SMNG Rechtsanwaltsgesellschaft

mbH

(www.smng.de

)

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