Previous Page  24 / 52 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 24 / 52 Next Page
Page Background

TECHNIK

|

Fachbeitrag

24

FASSADE 1/2017

Phototrophe Mikroorganismen

an der Fassade

Von Prof. Timo Schmidt, Mai-Khanh Nguyen und Dr. Michael Lakatos

Der zweiteilige Fachbeitrag widmet sich dem hochaktuellen Thema „Begrünte Fassaden“.

Im ersten Teil werden phototrophe Mikroorganismen an der Fassade näher beleuchtet.

In Teil 2 – dieser erscheint in der nächsten Ausgabe der FASSADE – stehen in Fassaden

integrierte Bioreaktorsysteme im Fokus.

Die vermehrte Flächenkonkurrenz, die zu-

nehmende Nutzung von nachwachsenden

Rohstoffen und die Verknappung von fossi-

len Brennstoffen erzwingen ein Umdenken

bzgl. bisheriger Energie-, Agrar- und Stadt-

planungskonzepte. Die Nutzung anthro­

pogen transformierter oder neu geschaf-

fener Flächen wie beispielsweise Fassaden

und die intelligente Vernetzung und loka-

le Rückführung von Stoffflüssen (Energie,

Ressourcen, Abfälle) mit Hilfe der vorhan-

denen Infrastruktur wird zukünftig eine im-

mer größere Rolle spielen und die Fassa-

denplanung verstärkt beeinflussen. Einige

Städte schreiben schon heute einen Begrü-

nungsanteil bei Neubauten vor und unter-

stützen Vorhaben mit Leitfäden, Fördergel-

dern oder einer Erhöhung der zulässigen

Bruttogeschossfläche [1]. Doch was zu-

nächst nur als vertikale Gärten gedacht ist,

wird schnell zu einer komplexen Gebäu-

dehaut, die neben ästhetischen eben auch

energetische und ökologische Aufgaben

übernehmen soll.

Begrünte Fassaden sollen Energie und Res-

sourcen erzeugen, natürliche Pufferspeicher

bilden, adiabat kühlen, Schall absorbieren,

Schadstoffe aufnehmen und so das Mikro-

und Mesoklima in Städten nachhaltig ver-

bessern. Vor der Vielzahl an Erwartungen

stellt sich allerdings die Frage: Was können

begrünte Fassaden wirklich leisten, welche

Organismen eignen sich am besten um die-

se Aufgabe zu erfüllen und wie kön-

nen diese an der Fassade angebracht

und versorgt werden? Die Auswahl

an Gewächsen für derart exponier-

te Habitate ist überschaubar. Der

Wunsch nach immergrünen Pflanzen

schränkt das „Sortiment“ zusätzlich

ein. Bei Hochbauten werden schnell

hohe Windgeschwindigkeiten und

Temperaturunterschiede erreicht, die

das Halten und Überleben von Pflan-

zen an Außenfassaden erschweren.

Was am Ende übrigbleibt ist weder

die erhoffte Biodiversität noch wer-

den die oben formulierten Anforde-

rungen erfüllt. Um hier entgegenzu-

wirken werden Pflanzen außerhalb

ihrer natürlichen Habitate eingesetzt.

Hohe Wartungszyklen sind die Fol-

ge. Sie bestimmen derzeit die hohen

Preise für begrünte Fassaden.

Höhere und Niedere Pflanzen

Bei den am häufigsten eingesetz-

ten Pflanzenarten bei Fassadenbe-

grünungen handelt es sich um soge-

nannte Höhere Pflanzen (Gefäß- oder Sa-

menpflanzen). Der Einsatz von Niederen

Pflanzen, sogenannten Kryptogamen (z. B.

Moose, Flechten, Algen, Cyanobakterien)

und ihr Potenzial für Fassaden sind demge-

genüber nahezu unerforscht.

Das wesentliche Erkennungsmerkmal ei-

ner Höheren Pflanze ist die morphologische

Grundeinteilung der Pflanze in Blatt, Spross

undWurzel. Die Niederen Pflanzen besitzen

hingegen einen geringeren Organisations-

grad. Niedere Pflanzen

weisen gegenüber Hö-

heren Pflanzen einen

weniger störanfälligen

Wasserhaushalt

auf,

sie sind wechselfeucht

(poikilohyd) und kön-

nen starke Schwan-

kungen der Wasserver-

fügbarkeit bis hin zu

Austrocknung

ertra-

gen. Damit sind sie für

City Tree

Erwartungen an Fassadenbegrünung

Green City Solutions GmbH