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FASSADE 5/2016
Vollmachten, Kompetenzen und
Befugnisse am Bau
Von Dr. Rainer Koch
Rechtliche Grundlagen und Differen-
zierungen im Kompetenzbereich
Wir unterscheiden zwei Bereiche, die am
Bau wichtig sind:
Rechtsgeschäftliche Handlungen
Alles, was irgendwie rechtsgeschäftlich
orientiert ist, fällt in die alleinige Kom-
petenz und Verantwortung des jeweili-
gen Geschäftsherrn bzw. Vertragspartners.
Was bedeutet das für die Baupraxis? In den
rechtsgeschäftlichen Bereich fällt grundsätz-
lich alles, was Geld kostet, also wirtschaft-
liche und finanzielle Konsequenzen aus-
löst. Darüber hinaus gehören dazu die Be-
gründung, Änderung bzw. Aufhebung von
vertraglichen Vereinbarungen. Sofern der
Geschäftsherr – entgegen den rechtlichen
Vorgaben – solche Handlungen und Maß-
nahmen nicht selbst umsetzt, kann er die-
se Aufgaben an Dritte (mit deren Ein-
verständnis) weiterdelegieren, indem er
entsprechende Vollmachten erteilt. Rechts-
geschäftliche Handlungen im Bausektor
sind beispielsweise Nachtragsanordnun-
gen, Vertragsabschlüsse und -kündigungen,
Anerkenntnisse und Abnahmeerklärungen.
Gibt der Architekt in solchen Fällen Erklä-
rungen ohne Vollmacht für den Bauherrn
ab, so sind diese zunächst einmal (juristisch)
„schwebend“ unwirksam. Sie können aller-
dings nachträglich durch den Bauherrn ge-
nehmigt werden und dadurch Rechtswirk-
samkeit erlangen. Erfolgt die Genehmigung
nicht, so führt dies zur Unwirksamkeit. Ord-
net also der Architekt für den Bauherrn ohne
Vollmacht Nachträge an, so muss der Bau-
herr diese nicht bezahlen. Der Architekt geht
sogar das Risiko ein, dass er selbst bzgl. der
Nachtragsvergütung vomAuftragnehmer als
sogenannter vollmachtloser Vertreter in An-
spruch genommen wird (§ 179 BGB). Lässt
Oft hört man den Satz: „Auf dem Bau läuft alles anders“ oder „Das haben wir schon immer so
gemacht“. Zumindest was das Rechtsleben anbetrifft, stimmt das definitiv nicht. Es gibt keine rechtli-
chen Baugepflogenheiten und kein spezifisches Gewohnheitsrecht für den Bau. Gerade die Funktion
und Einbindung der Architekten und Ingenieure im Rahmen der Leistungsphase 8 (Bauüberwachung)
wird oft von den Baubeteiligten missverstanden. Auch die Befugnisse und Kompetenzen von Projekt-
steuerern bzw. den Auftragnehmer-Bauleitern werden oft falsch eingeordnet.
der Bauherr derartige Maßnahmen aller-
dings wissentlich geschehen, so kann die
fehlendeVollmacht durch die von der Recht-
sprechung entwickelten Grundsätze der An-
scheins- und Duldungsvollmacht geheilt
werden. Ähnliches gilt für den Bauleiter des
Auftragnehmers im Sinne von § 4 Abs. 1 Ziff
3VOB/B. Dieser ist zwar als Ansprechpartner
und Adressat von Weisungen für den Auf-
tragnehmer auf der Baustelle zuständig, je-
doch darf er diesen rechtsgeschäftlich ohne
ausdrücklicheVollmacht nicht vertreten.
Die sogenannte „originäre Architekten-
vollmacht“
Schon von der Begrifflichkeit her ist dies ein
gewisser Widerspruch in sich. Man versteht
darunter gemeinhin eher organisatorische
Handlungen, die in den Aufgabenbereich ei-
nes Architekten bzw. Ingenieurs fallen, dem
die Bauüberwachung gemäß Leistungspha-
se 8 der HOAI-Leistungsbilder übertragen
wurde. Rechtsgeschäftliche Vertretungs-
handlungen sind davon aber ausdrück-
lich ausgenommen. Das OLG Düsseldorf
hat dies in einer grundlegenden Entschei-
dung wie folgt abgegrenzt (Az.: 21 U 68/96-
12.11.96; BauR 1997, 647):
Aus der Tatsache, dass ein Architekt im Rahmen
eines Bauvorhabens bestellt wurde, [kann] nicht
ohne weiteres auf eine weitreichendeVollmachts-
erteilung geschlossen werden. Grundsätzlich
[ist] davon auszugehen, dass der Architekt nicht
originär bevollmächtigt [ist], den Bauherrn in
vollem Umfang zu vertreten. Die originäre Voll-
macht [umfasst] insbesondere nicht die rechtsge-
schäftliche Abnahme der Werkleistung des Un-
ternehmers i.S.d. § 12VOB/B, soweit sie über die
rein technische Abnahme hinausgeht.
Der Bauüberwacher ist nach diesen Grund-
sätzen ohne ausdrückliche Vollmacht zum
Beispiel befugt, die technische Abnahme und
gemeinsame Aufmaße durchzuführen, Män-
gel zu rügen und Inverzugsetzungen zu ver-
anlassen.
Empfehlungen für die Praxis
Alle Baubeteiligten sollten möglichst imVor-
feld der Abwicklung einer Baumaßnahme
die jeweiligen Kompetenzen und Befugnisse
rechtzeitig besprechen und abklären. Sollen
rechtsgeschäftliche Aufgaben vom Bauherrn
oder auch vom Auftragnehmer an Dritte
(z. B. Architekt, Bauleiter, Polier) ganz oder
teilweise delegiert werden, empfiehlt es sich
entsprechende schriftliche Vollmachten aus-
zustellen und die Vertragspartner hierüber
schriftlich zu in-
formieren.
§
BRANCHE
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Aus der Rechtspraxis
Dr. Rainer Koch
ist Rechtsanwalt
und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
und Mitgesellschafter der Kanzlei Dr. Koch Do-
robek & Kollegen in Wiesbaden. Außerdem ist
er Gesellschafter-Geschäftsführer der Bauaka-
demie Dr. Koch GmbH (Wiesbaden).
Dr. Rainer Koch