

auf einem Stahlträger im Schnei-
dersitz und habe geschweißt“,
erzählt sie. Ein Hosenbein sei
verrutscht und die Flamme habe
ihren Unterschenkel versengt.
„Am Abend habe ich mich dann
gewundert, warum es so brennt“.
Mittlerweile ist sie an die harte
Arbeit gewöhnt. „Am Anfang der
Ausbildung habe ich mich noch
über jede Schramme aufgeregt“,
sagt Hägele. Mittlerweile seien
für sie Wundblasen an den Hän-
den ganz normal.
Mama als Vorbild
Für Judith Hägele ist es keine
Frage, ob Frauen für die Arbeit
als Metallbauerinnen geeignet
sind. Dennoch bekomme sie dau-
ernd die Frage gestellt, wie sie zu
diesem Beruf gekommen sei.
„Ich wusste immer, dass ich spä-
ter nicht im Büro sitzen möchte“,
sagt sie. In der Schule machte sie
mehrere Praktika, unter ande-
rem als Kfz-Mechatronikerin.
Aber das sei ihr zu eintönig ge-
wesen.
Das Praktikum bei Fürst gefiel
ihr besser. Großen Einfluss hat-
ten auch ihre Eltern. Ihre Mutter
machte bei Zeiss eine Umschu-
lung zur Maschinenanlagenfüh-
rerin. „Da habe ich gesehen, dass
Essingen
E
ine Powerfrau, so kann
man Judith Loreen Häge-
le wahrlich bezeichnen.
Die 19-Jährige absolviert
eine Ausbildung zur Metallbaue-
rin bei Fürst Stahl- und Metall-
bau in Essingen. Beim Wettbe-
werb zur „Miss und Mister
Handwerk – Germany’s Power
People 2018“ belegte sie den
fünften Platz. Als Ausbildungs-
botschafterin macht sie auf Aus-
bildungsmessen Werbung für
das Handwerk.
Wunde Finger sind normal
Wer sich Hägeles Arbeit an-
schauen will, muss auf der Bau-
stelle des Aalener Kulturbahn-
hofes vorbeischauen. Die roten
Stahlträger, die derzeit an der
Außenwand des ehemaligen Ei-
senbahnausbesserungswerks an-
gebracht sind, kommen aus dem
Hause Fürst. Der sogenannte Si-
cherungsbock stabilisiert das
historische Gebäude, solange es
entkernt wird. Hägele hat viele
der Träger verschweißt.
Der Job ist nicht ungefährlich.
Judith Hägele hatte schon Ver-
brennungen zweiten Grades am
Unterschenkel erlitten. „Ich saß
Miss Metall-Handwerk
Leute heute
Die angehende Metallbauerin Judith Loreen Hägele kommt bei Germany’s Power
People auf Platz fünf und engagiert sich für mehr Frauen im Handwerk.
Von Philipp Zettler
Die jeweils sechs höchstplatzier-
ten Männer und Frauen wurden
imHandwerkskalender 2018 ver-
ewigt. Hägele ziert nicht nur den
Monat August, sondern auch das
Titelblatt. „Da war ich total
überrascht und auch stolz“, sagt
sie. Es sei eine tolle Erfahrung
gewesen.
Gleich zwei Tage nach der
Preisverleihung fuhr sie wieder
nach München. Dort verlieh sie
die Preise für die „Gute Form“,
ein bundesweiter Wettbewerb
für Metallgestalter, ausgelobt
vom Bundesverband für Metall.
„Dort haben sie mich spontan
Miss
Metall-Handwerk
ge-
nannt“, erzählt sie.
Werbung für das Handwerk
Auf den Ausbildungsmessen in
der Region informiert sie inte-
ressierte Schulabgänger über ih-
ren Beruf. „Die Scheu vor Kon-
takt ist nicht so groß, wenn man
mit Gleichaltrigen spricht“, er-
klärt sie. Sie versichert: Proble-
me habe sie als Frau in ihrem Be-
ruf nie gehabt. Nur Durchhalte-
vermögen sei wichtig. Praktisch
sei der Beruf obendrein. „Ich
habe schon einen Grill und einen
Tisch für Freunde zusammenge-
schweißt.“
Schweißen, stanzen, biegen: Die Auszubildende Judith Loreen Hägele auf dem Titelblatt des Handwerks-Kalenders 2018 (links) und bei
der Arbeit in der Werkshalle von Fürst Stahl- und Metallbau in Essingen.
Foto links: Axel Weiss; Fotos rechts: hag
solche typischen Männer-Jobs
auch für Frauen kein Problem
sind“, sagt sie. Auch ihr Vater,
ein Elektriker, habe sie immer
bei Arbeiten am Haus helfen las-
sen. Das habe sie motiviert und
in ihr die Lust an praktischer Ar-
beit geweckt. „Mein Vater ist
ganz froh, dass eines seiner Mä-
dels einen praktischen Beruf hat.
Ich bin ein bisschen der Sohn für
ihn“. Judith Hägele hat noch drei
Schwestern.
In ihrer Berufsschulklasse ist
sie die einzige Frau von 24 Aus-
zubildenden. Bei den meisten
Handwerksberufen wie Lackie-
rer und Mauer liege der Frauen-
anteil bei rund 12 bis 21 Prozent,
bei den Metallbauern bei 2,4 Pro-
zent. Auch deswegen habe sie an
Germany’s Power People teilge-
nommen. Ein Projekt des deut-
schen Handwerksblatts. Junge
Handwerker wurden gesucht,
die sich und ihren Beruf präsen-
tieren wollen.
In einer Online-Abstimmung
wurden die jeweils 18 beliebtes-
ten männlichen und weiblichen
Kandidaten ausgewählt und zum
Fotoshooting eingeladen. Hägele
erreichte mit Platz fünf das Fina-
le auf der Handwerksmesse in
München im vergangenen März.
Leute Heute Hägele, 04/2018