RTS Magazin 2/2020 - Forum Terrasse + Wintergarten 1/2020
Branche 8 RTS-Magazin 2/2020 Die Internationale Handwerks- messe sprach kurz vor Weihnach- ten mit Hans Peter Wollseifer, dem Präsidenten des Zentralver- bands des Deutschen Handwerks darüber, wie Innovationen und Digitalisierung das Handwerk bewegen und wie sich das auf der kommenden Internationalen Handwerksmesse vom 11. bis 15. März 2020 in München darstellt. Im Interview erklärt Hans Peter Wollseifer, warum die Messe von zentraler Bedeutung ist und wel- chen Wandel das Handwerk ge- rade durchlebt. IHM: Herr Wollseifer, das Hand- werk hat in den letzten Jahren eine beachtliche Entwicklung durchlebt. In welchen Bereichen des Handwerks erwarten Sie in Zukunft weitere, große Umbrü- che? Hans Peter Wollseifer: Die große Stärke des Handwerks ist seit je- her seine Wandlungsfähigkeit. Ausgestattet mit beachtlichem, über Jahrhunderte angewach- senem handwerklichen Können und Fachwissen hat das Hand- werk es stets vermocht, auf dieser tradierten Basis Neues und Inno- vatives zu entwickeln, technolo- gische Veränderungen aufzuneh- men und für das eigene Gewerk nutzbar zu machen. Handwerker fertigen für Kunden in enger Ab- stimmung passgenaue Lösungen. Sie greifen dabei auf ihr umfang- reiches Fachwissen zurück und verfeinern für ein besseres Er- gebnis fortlaufend bestehende Verfahren, bringen neue Materi- alien und Technologien zum Ein- satz und erstellen im Ergebnis neue Produkte. Alle wichtigen gesellschaftlichen Zukunftspro- jekte werden ohne das Hand- werk nicht zu verwirklichen sein – sei es der Wohnungsbau, die Energiewende, die Mobilitäts- wende oder Smart Living. Dabei geht es dem Handwerk nicht an- ders als anderen Wirtschaftsbe- reichen: Die größten Umwälzun- gen bringt – absehbar auch in den kommenden Jahren – die Digita- lisierung. Dadurch verändern sich ganze Berufsbilder, es entstehen sogar neue Berufe. Ohne digi- Über die Innovationskraft des Handwerks tale Technik wird in Zukunft kein Gewerk mehr auskommen. Wir haben diese Umbrüche fest im Blick und unterstützen unsere Be- triebe v. a. über das Kompetenz zentrum Digitales Handwerk bei den Umstellungen, die nicht nur die Arbeitsgeräte und -prozesse betreffen werden, sondern auch die Art des Zusammenarbeitens. Dank digitaler Hilfsmittel, aber auch durch gemeinsam genutzte Arbeitsorte werden Handwerker zukünftig noch stärker gewerke- übergreifend zusammenarbeiten. IHM: Produktionen und Dienst- leistungen werden digitaler, die Kommunikation vernetzter. Wie verändern diese Strömungen den Alltag des Handwerks? Hans Peter Wollseifer: Digitalba- sierte Lösungen sind längst ein wichtiger Teil des Arbeitsalltags von Handwerkern. Prozesse auf der Baustelle lassen sich so op- timal miteinander verzahnen, so dass jeder Mitarbeiter zu je- der Zeit Zugriff auf den aktuel- len Projektstand hat. Durch den Einsatz digital gesteuerter Ma- schinen kann die Auslastung ge- steigert werden. Software hilft, betriebliche Abläufe besser ab- zubilden und zu steuern. Digi- tale Technologien kommen bei der Herstellung von Produkten zum Einsatz oder im direkten Kundenkontakt – etwa wenn der Maler das Wohnzimmer schnell digital vermisst und auf seinem Tablet sofort in der gewünsch- ten Wandfarbe visualisieren kann. Der Kunde konfiguriert heute mit dem Tischler virtuell sein in- dividuelles Möbelstück, morgen wird es von Präzisionsmaschinen ausgesägt, übermorgen zusam- mengesetzt und dem Lieferdienst übergeben. Das steigert auch die Kundenbindung. Digitale Pro- zesse halten in so gut wie allen Gewerken Einzug, ob im Bau, Ausbau, im gewerblichen oder privaten Bedarf, im Bereich Kfz, in den Lebensmittelhandwerken oder der Gesundheit. IHM: Welche Chancen ergeben sich durch die aktuellen Ent- wicklungen für Handwerksbe- triebe und wie können die Be- triebe sicherstellen, davon zu profitieren? Hans Peter Wollseifer: Indem di- gitalbasierte Technologien zum Einsatz kommen, werden Pro- zesse effizienter gestaltet, neue Geschäftsmodelle entwickelt und neue Produkte und Dienst- leistungen angeboten. Bei den Verwaltungs-, Vertriebs- und Produktionsprozessen können enorm viel Zeit und Ressourcen eingespart werden. Davon kön- nen auch ganz klassische Hand- werksbetriebe profitieren. Sie tun gut daran, ihre Stärken – umfas- send, kundenindividuell und qua- litativ hochwertig Probleme zu lösen und Leistungen zu erbrin- gen und dabei im direkten, per- sönlichen Kontakt mit den Kun- den vor Ort zu stehen – bestmög- lich mit digitaler Modernität zu verbinden. Das ermöglicht bes- sere und ganzheitliche Lösungen im Sinne der Kunden und birgt viele Chancen für Neukundenge- winnung und neue Dienstleistun- gen, auch über die eigene Region hinaus: Bäcker verkaufen ihre Produkte heute dank Shopsystem über das Internet nach Übersee. Ein Elektroniker installiert heute nicht nur ein Smart Home- oder Gebäude-System, sondern kann es auf Wunsch auch fernwarten oder -steuern. Mit der zuneh- menden Komplexität von digita- len Anwendungsmöglichkeiten steigen die Anforderungen an die Qualifizierung der Mitarbei- ter. Hier können die Betriebe auf vielfältige Schulungsangebote der Handwerksorganisationen zu- rückgreifen. IHM: Ein wichtiger Trend unserer Zeit ist neben der Digitalisierung und der Vernetzung das Thema Nachhaltigkeit. Das gilt auch für Handwerksbetriebe. Welche Entwicklungen beobachten Sie diesbezüglich? Hans Peter Wollseifer: Nach- haltigkeit liegt in der DNA des Foto: © Boris Trenkel Hans Peter Wollseifer: „Die große Stärke des Handwerks ist seit jeher seine Wandlungsfähigkeit.“
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