LIFTjournal 5/2020

Frequenzumrichter im Einstein-Elevator Frequency converter in the Einstein elevator Physikalische und produktionstech- nische Versuche für Anwendungen im Weltraum, auf dem Mond oder sogar auf dem Mars: Was klingt wie Science-Fiction, könnte bald real werden. Denn zurzeit finden Forschungsexperimente in einem neuen Fallturm statt – unter verschie- denen Gravitationsbedingungen und in der Schwerelosigkeit. U m außerirdische Umgebungsbedingungen zu simulieren, hat das Institut für Trans- port- und Automatisierungstechnik (ITA) mit dem Institut für Quantenoptik der Leibniz Universität Hannover ein Großprojekt auf die Beine gestellt: den Einstein-Elevator. Während die Wiederholrate bei anderen Falltürmen bei etwa zwei bis drei Versuchen am Tag liegt, kann dort alle vier Minuten ein neuer Durchlauf stattfinden. Anstelle von großen Vaku­ umkammern und freiem Fall, saust hier eine an Schienen geführte Versuchskammer in hoher Ge- schwindigkeit auf und ab. In der Gondel haben experimentelle Aufbauten mit einem Durch- messer von 1,7 Metern, einer Höhe von zwei Me- tern mit einem maximalen Gewicht von 1.000 Kilogramm Platz. ANTRIEBSKONZEPT MIT GEFRAN-UMRICHTERN „Der Einstein-Elevator ist ein Meisterwerk in- terdisziplinärer Ingenieurskunst, er vereint die Antriebstechnik aus dem Achterbahnbau mit der Positioniergenauigkeit einer Werkzeugmaschi- ne“, berichtet Prof. Dr.-Ing. Ludger Overmeyer, Leiter des Instituts für Transport- und Auto­ matisierungstechnik (ITA) der Leibniz Universität Hannover. Die Herausforderung: Große Lasten mit sehr hoher Geschwindigkeit bewegen und punktgenau wieder abbremsen. Im Einstein-Elevator sind drei unabhängige Antriebsstränge verbaut. Zwei davon dienen zum Beschleunigen der Gondel. Für den Gleichlauf sorgen die Umrichter. Pro Strang werden fünf Frequenzumrichter der ADV200 Baureihe von Gefran mit einer Leistung von jeweils 400 kW zzgl. Überlast von bis zu 180 Prozent parallel­ geschaltet, um die Anlage sehr symmetrisch nach oben zu bewegen. Der dritte Antriebsstrang dient der Regelung der Schwebehöhe (Schwerelosigkeit) und der Erzeugung der variablen Beschleunigungen. Be- sonders beindruckend: Bei einer Antriebsleistung von bis zu fünf Megawatt kann die Schwebehöhe des Experiments in der Gondel bis auf wenige Millimeter konstant gehalten werden. HOHE ANTRIEBSLEISTUNG UND REGELGENAUIGKEIT Das ausgeklügelte Antriebs-, Brems- und Steu- erungssystem für den Fahrtablauf des Einstein- Elevators inklusive Schweberegelung hat die Intrasys GmbH gemeinsam mit der Leibniz Uni- versität Hannover entwickelt. Damit kann die tonnenschwere Gondel mit 5 G vertikal in 0,5 Sekunden auf 72 km/h beschleunigt und sicher wieder abgebremst werden. Die Linearantriebe des Unternehmens benötigen dafür für wenige Sekunden sehr hohe Ströme. Bei einem Abschuss der Gondel wird eine große Menge an Energie durch die Gefran-Umrichter aus dem Supercap-Energiespeicher der StercomGmbH entnommen und an die Statoren weitergegeben. Dort erzeugt der Strom ein magnetisches Feld, welches dann mit einemMagnetfeld wechselwirkt und das Fahrzeug antreibt. Um Gewicht zu sparen, wurde für die Anlage eigens ein spezielles Magnet- joch konstruiert. Von entscheidender Bedeutung ist das nahtlose Zusammenspiel der Steuerung mit der Messtechnik. „Unsere Sensoren befinden sich direkt an der Gondel und senden laufend Daten in Echtzeit an den Antrieb, der unten im 40 Meter hohen Turm verbaut ist“, erläutert Overmeyer. „In Hinblick auf die weite Übertragungsstrecke und die hohe Geschwindigkeit ist das eine echte Herausforderung.“ WEITERE SCHRITTE SIND GEPLANT Die Forscher sind sehr zufrieden mit dem Zu- sammenspiel der Antriebskomponenten und der Zusammenarbeit der Projektpartner. „Bald soll die hochautomatisierte Anlage im Zuge neuer Experimente weiterentwickelt werden“, erzählt Ludger Overmeyer. Zusätzliche Fahrprofile sollen ein noch brei- teres Versuchsspektrum im Einstein-Elevator ermöglichen, um verschiedene Gravitations- bzw. Luft- und Umgebungsbedingungen bis ins kleinste Detail nachzubilden. Das Ziel, zukünftig Infrastrukturen außerhalb der Erde aufzubauen, rückt so wieder ein Stück näher.  ⇤ gefran.com Foto: © Leibniz Universität Hannover/Marie-Luise Kolb Experimentträger mit Flugcom - puter, Telemetrie, Sensorik, Ka - meras und Energieversorgung in der Beladeebene vor der verschlossenen Gondel./ Expe- rimental rig carriers with flight computers, telemetrics, sen- sors, cameras and energy sup- ply in the loading area in front of the closed gondola. 22

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