LIFTjournal 5/2020

Der Fachkräftemangel ist in der Aufzug- branche ein Dauerbrenner. Hat die Corona-Krise etwas daran geändert? Wo liegen die Ursachen? Wir haben dazu Andreas Hönnige befragt. Er ist Ge- schäftsführer der VFA-Akademie, deren Aufgabe die Aus- und Weiterbildung in der Aufzugstechnik ist. Seit 2019 leitet er die Working Group Safety, Education & Training bei der European Lift Associa­ tion (ELA). Hönnige ist Geschäftsführen- der Gesellschafter des Unternehmens Liftcore – einem Technologieanbieter für die Aufzugsbranche. Schindler hat vor einiger Zeit angekün- digt, weltweit 2.000 Stellen abzubauen: Ist der Fachkräftemangel in der Aufzugs- branche in Zeiten der Corona-Pandemie noch ein Thema? Hönnige: Der Fachkräftemangel wird unabhängig von der konjunkturellen Lage ein Thema bleiben, da sich aufgrund der technologischen Entwick- lung und sich verändernder Marktanforderungen auch die Anforderungen an Fachkräfte laufend verändern werden. Ein Stellenabbau in großen Unternehmen und die damit verbundene höhere Anzahl von Fachkräften am Arbeitsmarkt kann den Fachkräftemangel nur regional und für kurze Zeit beheben. Ist die Lage unterschiedlich in der Branche oder leiden alle – vom Aufzugbauer bis zum Komponentenhersteller? Hönnige: Die Tätigkeiten und somit auch die erforderlichen Kenntnisse der Fachkräfte un- terscheiden sich bei einem Aufzugsbauer und bei einem Komponentenhersteller oft erheblich. Der Mangel an qualifizierten Fachkräften betrifft tatsächlich alle in unserer Branche. Wo liegen die Ursachen? Hönnige: Die Aufzugsbranche ist verhältnismä- ßig klein und medial nicht sehr präsent. Sie wird von Berufs- und potenziellen Quereinsteigern nicht so leicht als interessante berufliche Op- tion wahrgenommen. Wichtig ist es, die Auf- zugsbranche als attraktiv und zukunftsfähig über alle wirksamen Medien in die Köpfe zu bekommen. „Uns fehlen gute Leute!“ “We need good people” Wird sich mittelfristig die Lage entspan- nen, weil durch die Krise der Automobil­ industrieund ihrerZulieferer Arbeitskräfte auf den Markt kommen? Hönnige: Wenn Firmenchefs über Fachkräfteman- gel in ihren Betrieben sprechen fällt oft die Aus- sage: „Uns fehlen gute Leute“. Gemeint sind damit Fachkräfte, die für ihre Tätigkeit hoch qualifiziert, motiviert, leistungsstark und möglichst erfahren sind. Freiwerdende Fachkräfte z. B. aus der Auto- mobilindustrie und ihren Zulieferern erhöhen die Chance, motivierte und leistungsbereite Fach- kräfte zu finden. Durch gezielte Weiterbildung und die Einarbeitung in die Aufzugsbranche kann sich der Mangel an qualifizierten Fachkräften durchaus für manche Unternehmen entspannen. In Europa beneiden uns viele umunser du- ales Ausbildungssystem. Wäre die Situati- on besser, wenn es einen eigenen Ausbil- dungsberuf für die Aufzugsbranche gäbe? Hönnige: Einen Ausbildungsberuf speziell für Aufzüge, z. B. Aufzugsmonteur oder Aufzugstech- niker, würde in jedem Fall die Wahrnehmung für die Aufzugsbranche als Berufsoption erhöhen und somit zur Verbesserung der Situation bei- tragen. Tatsächlich gibt es bestehende Ausbil- dungsberufe, die bereits eine große inhaltliche Überlappung mit den Anforderungen für Aufzüge haben. Gegenüber den Kammern müsste dazu noch die im Ausbildungszeugnis bescheinigte Spezialisierung bzw. Vertiefung in die „Fachrich- tung Aufzugsbau“ durchgesetzt werden. Foto: © AndreyPopov / iStock.com „Durch gezielte Weiterbildung und die Einarbeitung in die Aufzugsbranche kann sich der Mangel an qualifizierten Fachkräften für manche Unternehmen entspannen.“ ANDREAS HÖNNIGE LIFT journal  05. 2020 10

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