Gebaeudehuelle 10/2020
37 GEBÄUDEHÜLLE 10.20 FASSADE gendes Bauelement gar nicht mehr erkenn- bar wird oder dass sie es umgekehrt explizit tut und damit offensiv als solche hervortritt. Letz- teres tut sie natürlich auch als Aufdachanlage, insbesondere, wenn sie auch noch aufgestän- dert ist und aus der Dachneigung herausragt. Doch ergibt sich bei der Fassadenintegration eine andere optisch-geometrische Konstella- tion: Die PV mag sich zwar farblich abheben, doch verhält sie sich geometrisch homogen zur übrigen Wand. Hier tut sich auch ein Übergang zur vor- gehängten Fassade mit PV auf, was die Mög- lichkeit eröffnet, mit bifazialen Modulen zu arbeiten, die nicht nur auf ihrer Vorderseite, sondern auch rückseitig Licht sammeln und in Strom wandeln, sodass die flächenspezi- fisch gewöhnlich geringere Energieerzeugung der Fassaden gegenüber Aufdachanlagen zu- mindest zum Teil wieder ausgeglichen wer- den kann. Bei der Ästhetik kommt schließlich auch die Farbgebung der Module ins Spiel, die dem Architekten künstlerischen Gestal- tungsspielraum gewährt. Dabei sind aller- dings, abhängig vom Zelltyp, gegenüber der gewöhnlich blauen Grundfärbung von Sili- ziumzellen Abstriche in der Leistung hinzu- nehmen (s. Tabelle). anwendungen in der praxis Im Folgenden sollen zwei Projekte mit fassa- denintegrierter PV kurz vorgestellt werden. Das erste befindet sich in Stuttgart am Ge- bäude des dortigen Zentrums für Sonnen- energie- und Wasserstoff-Forschung Baden- Württemberg (ZSW). Es handelt sich dabei um ein Forschungsobjekt, bei dem dunkel- graue Dünnschicht-Module auf CIGS-Basis (Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid) zum Einsatz kommen, die auf der Südost-, Süd- west- und Nordwest-Fassade untergebracht sind. Zudem befindet sich auf demDach noch eine mit 10° Neigung installierte Anlage. Die gerahmten Glas-Glas-Module weisen bei ei- ner Fläche von 256 m 2 eine Leistung von 29 kWp auf. Die Anbringung erfolgte oberhalb der Wärmedämmung, auf der von innen nach außen Unterspanbahn, Tragstruktur, Trag- profil, Riegelprofil und schließlich die Mo- dule montiert sind. Als sehr interessant stellt sich das Erzeugungsprofil der Anlagen für einen jeweils sonnigen Sommer- und Win- tertag dar (Ende Juni und Anfang Januar). In der Summe der drei in unterschiedliche Himmelsrichtungen weisenden Einzelsyste- me stellt sich hier ein sommerlicher Produk- tionsverlauf ein, der im Vergleich zu einem nach Süden ausgerichteten Dachsystem kein mittägliches Maximum der Erzeugung mehr aufweist. Dafür kommt es aber am Vor- und amNachmittag zu höherer Stromproduktion, die dann erst gegen 18:30 Uhr ihren Spitzen- wert erreicht. Damit ist das Stromnetz zuMit- tag von Einspeisung relativ entlastet, und zu- gleich kann vorher und nachher imGebäude mehr selbst erzeugter Strom eingesetzt wer- den. Was denWintertag angeht, so produziert das nach Südosten und Südwesten orientierte Fassadensystem jeweils spezifisch mehr Leis- tung (kW/kWp) als die schneefreie Dachan- lage. In Summe ergibt sich hier also ein für diese Fassadenkonstellation positives Bild. Beim zweiten Projekt handelt es sich um die Fortbildungsakademie Herne (Mont-Ce- nis), die dort seit dem Jahr 2000 in Betrieb ist und in ästhetisch sehr anspruchsvoller Fasson PV im flachen Dach und an den Fassaden in- tegriert hat. Es zeigt sich, dass die Dachinte- gration der jeweils semitransparentenModu- le bei gleicher Zellart (poly- und monokris- tallin) und Zellfarbe (blau) gegenüber der Fassadenintegration eine deutlich höhere Stromerzeugung aufweist (628 kWh/kWp/a gegenüber 439 kWh/kWp/a). Das Dach kann im Mittel wesentlich mehr Strahlung je Flä- cheneinheit erreichen als die Fassade. dr. wolfgang berger Sokrates Consult, Kufstein sokrates-consult@gmx.net Auf der Akademie Mont Cenis in Herne wurde die größte dachinteg- rierte Solaranlage Deutschlands installiert. 3.200 Solarmodule er- zeugen etwa 600.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr, der direkt vor Ort verbraucht und in einer Batteriespeicher- anlage „zwischengela- gert“ wird. Foto: © Fortbildungsakademie Mont-Cenis objekttafel 1 Projekt: Photovoltaik-Fassade am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) in Stuttgart Modultechnik: CIGS-Dünnschicht, nicht spiegelnde, gerahmte Glas/Glas-Module Modulleistung: 29 kW Modulfläche: 256 m2 Ausrichtung: Südosten, Südwesten, Nordwesten Montagesystem: Frameline von NICE Solar Energy Quelle: Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung Baden-Würtemberg (ZSW) objekttafel 2 Projekt: Gebäudeintegrierte Photovoltaik an der Akademie Mont-Cenis in Herne (Fassade) Zelltechnik: Poly- und monokristallines Silizium Installierte Leistung: 70 kW Modulfläche: 780 m2 (semitransparent) Ausrichtung: Süd – 35° Neigung: 90° Jahresertrag: 439 kWh/kWp/a Quelle: Krawitz, S.A. (2003): Gebäudeintergration von Photovoltaik (GIPV) in Europa. TU Darmstadt
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