Gebaeudehuelle 11-2020
62 gebäudehülle 11.20 betrieb+praxis betrieb + praxis aus der rechtspraxis nach dem abschluss des Bauvertrages muss der Auftragnehmer gemäß § 4 Abs. 2 VOB/B die anerkannten Regeln der Technik berücksichtigen. Der § 13 Abs. 1 VOB/B sieht vor, dass die Bauleistung zum Abnahmezeit- punkt den anerkannten Regeln der Technik zu entsprechen hat. Was gilt, wenn sich die anerkannten Regeln der Technik nach Ab- schluss des Vertrages, aber noch vor der Ab- nahme der Bauleistung ändern? Mit dieser Frage haben sich das Oberlandesgericht Ko- blenz und später auch der Bundesgerichts- hof in einer kürzlich veröffentlichten Ent- scheidung befasst. aktueller fall Der Auftragnehmer hat den Auftrag, für den Auftraggeber Dachdecker- und Klempnerar- beiten am Neubau eines Seniorenzentrums auszuführen. ImRahmen der Durchführung des Bauvertrages versieht der Auftragnehmer das Dach des Gebäudes mit einem regensi- cheren Unterdach der Klasse 3. Die Dach- eindeckungsarbeiten werden im November 2012 abgeschlossen. Im November 2012 ent- spricht das Unterdach dem einschlägigen Re- gelwerk des Zentralverbandes des Deutschen Dachdeckerhandwerks. Im Dezember 2012 wird das Regelwerk verschärft. Gemäß der Neufassung des Regelwerks hätte der Auf- tragnehmer ein wasserdichtes Unterdach der Klasse 1 ausführen müssen. Der Auftraggeber verweigert die Abnahme und argumentiert dahingehend, die Dacheindeckung sei nicht abnahmereif, weil das zur Abnahme vorge- stellte Unterdach lediglich regensicher, nicht aber wasserdicht ausgeführt worden sei. Es kommt zu einem Rechtsstreit, in dem der Auftragnehmer seinen Restwerklohn in Hö- he von 74.416,78 Euro nebst Zinsen einklagt. Der Auftraggeber weist im Rechtsstreit dar- auf hin, dass die erbrachte Leistung mangel- haft, nicht abnahmereif und dass die Werk- lohnforderung des Auftragnehmers insofern nicht fällig sei (OLG Koblenz, Urteil vom 31.05.2019, Az: 6 U 1075/18; BGH, Beschluss vom 15.04.2020, Az: VII ZR 152/19. entscheidung des oberlandesgerichts koblenz Der Auftragnehmer scheitert mit der ge- richtlichen Geltendmachung des Zahlungs- anspruchs. Das Oberlandesgericht Koblenz arbeitet in seiner Entscheidung heraus, dass dem Auftragnehmer kein fälliger Anspruch auf den geltend gemachten Restwerklohn zusteht, weil eine Abnahme seiner Arbei- ten nicht erfolgt und die Werkleistung we- gen nicht nur unwesentlicher Mängel auch nicht abnahmereif ist. Hieraus folgert das Ge- Anerkannte Regeln der Technik beobachten Bei der Errichtung einer Fassade hat der Auftragnehmer neben den Regularien des bauvertrages und ergänzender Regelwerke auch zahlreiche technische Normen, technische Regelwerke sowie auch die anerkannten Regeln der Technik zu beachten. Ändern sich diese in der Ausführungsphase, muss der Auftraggeber darüber informiert werden. Foto: © Vössing Auftragnehmer müssen die Entwicklungen bei den anerkannten Re- geln der Technik beob- achten und Auftragge- ber über etwaige Ände- rungen und die damit verbundenen Konse- quenzen und Risiken für die Bauausführung in- formieren. richt, dass die Restwerklohnforderung des Auftragnehmers nicht fällig ist. Das Oberlan- desgericht stellt fest, dass der Auftragnehmer zum Zeitpunkt der Abnahme ein Bauwerk schuldet, dass der vereinbarten Beschaffen- heit und den anerkannten Regeln der Tech- nik entspricht. Dies gelte regelmäßig auch bei deren Änderung zwischen Vertragsschluss und Abnahme. Es bestehe – so das Oberlan- desgericht – die Vermutung, dass kodifizierte Regelwerke, hier das Regelwerk des Zentral- verbandes des Deutschen Dachdeckerhand- werks, die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben. Ein Zurückbleiben der Bau- ausführung hinter den anerkannten Regeln der Technik sei aus Sicht des Oberlandes-
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