Gebaeudehuelle 6-2020
38 GEBÄUDEHÜLLE 7/8.20 FASSADE fassade innovative fassadenverglasungen rob nijsse, professor für baustatik und ehemaliger Partner des niederländischen Ingenieurbüros ABTArnhem, sowie ABT-Tragwerksberater RonaldWentingwaren beide federführend bei der Tragwerksplanung für die erste konge- niale Arbeit von Rem Koolhaas und Cricursa beteiligt: die Konzerthalle Casa daMúsica inPorto, derenwellenförmige Glasfassaden im Laufe der letzten 15 Jahre so etwas wie ein Markenzeichen von Stararchitekt Rem Koolhaas und sei- nem Rotterdamer Büro OMA Architekten werden sollten. In ihrem Artikel „Designing and constructing corrugated glass facades“ schreiben Rob Njisse und Roland Wenting: „Kann die gewünschte Wellenform aus einem Blatt Papier gefaltet werden, kann die Glasindustrie sie auch herstellen“. Tatsächlich liegt der statische Vorteil einer als Welle ausge- führten Fassade auf der Hand. Wie ein zur Ziehharmoni- ka gefaltetes Blatt Papier verfügt sie über wesentlich mehr Steifigkeit als in planer Form. Aber die beiden Tragwerks- planer wissen aus eigener Erfahrung, dass es weltweit nur eine Handvoll Glasbiegereien gibt, die in der Lage sind, ge- bogene XXL-Glasscheiben in der geforderten Qualität, mit den erforderlichen engen Radien und minimalen Toleran- zen zu produzieren. kollektive lastabtragung Neuland betrat das Planungsteam auch mit seiner Lö- sung, die Glasfassade als lastabtragendes, aussteifendes Element zu konstruieren. Rem Koolhaas hatte für Porto die Vision von Glasfassaden ohne Stahl und möglichst ohne störende Pfeiler, Balken, Stahlkabel oder Rahmen. Eine erhebliche Herausforderung, die am Ende durch Cricursa, einem der weltweit renommiertesten Herstel- ler gebogener Gläser, realisiert wurde. In unmittelbarer Nähe zueinander wellenförmig angeordnete, gebogene XXL-Gläser, die sich gegenseitig stabilisieren und da- durch die einwirkenden Lasten gemeinsam tragen, er- möglichten den Verzicht auf vertikale Rahmen. potenzielle wärmebrücken entfallen Auch beim Neubau der Qatar National Library für die neue Education City in Doha wählte Rem Koolhaas ei- ne gewellte Glasfassade. Dieses Mal sind die Gläser in Omega-Form ausgeführt, inspiriert von der Vorstellung trocknender Papierblätter. Als hätte man die Ecken einer Schachtel hochgeklappt, bilden die Glasfassaden die Form eines Diamanten. Sie filtern das gleißende Sonnenlicht und leuchten die Bibliothek mit möglichst viel diffusem, blendfreiemTageslicht aus. Über eine weiße Aluminium- decke wird das Licht nach unten in den Raum reflektiert. Das Fehlen metallischer Elemente in der Fassade hat auch einen entscheidenden klimatischen Vorteil: es entfallen potenzielle Wärmebrücken, die Hitze ins Gebäudeinne- re leiten und die isolierende Wirkung von Gasschicht so- wie Warmer Kante in der gebogenen Doppelverglasung schwächen könnten. „Qatar zählt zu den Regionen, die am stärksten vom Anstieg der Durchschnittstempera- turen durch den Klimawandel betroffen sind“, erläutert Cricursa Marketingdirektor Joan Tarrus. „Draußen herr- schen im Sommer Temperaturen von mehr als 40 Grad, im Inneren der Bibliothek sollen es angenehme 20 Grad sein. Die energetischen und damit produktionstechni- schen Herausforderungen an das Fassadenglas waren al- so enorm, zumal wir auf keinen Fall eine mechanische Beschattung einplanen wollten.“ Durch die Anordnung der gebogenen Gläser ist die Fassade selbsttragend und außergewöhnlich widerstandsfähig gegenüber Windlas- ten. „Das gleiche Prinzip machte sich Antoni Gaudí auch beim Einsatz der berühmten katenarischen Bögen zu- nutze“, so Tarrus. Die Wellenform ermöglicht im Ver- gleich zur planen Glasfläche mit gleicher Scheibendi- cke das Abtragen viel höherer Lasten, sowohl senkrecht zur Ebene – laut Rob Nijsse und Roland Weining steigt Gewellt, aussteifend und lastabtragend Der spanische GlasBiegespezialist Cristales Curvados SA (Cricursa) setzt bei der Produktion gebogener XXL-Isolierglaseinheiten schon seit einiger Zeit auf den Warme Kante-Abstandhalter Super Spacer. Bei der wellenförmigen Glasfassade der Qatar National Library in Doha kam die variante Super Spacer Triseal Flex zum Einsatz. Die gebogenen Gläser in der Qatar National Lib- rary haben einen Radius von 550 Millimetern. Die Qatar National Lib- rary beherbergt auf 42.000 Quadratmetern Fläche mehr als eine Million Bücher und 500.000 digitale Aus- gaben. Foto: © Edgetech Europe GmbH
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