Gebaeudehuelle 5-6-2020
81 gebäudehülle 5/6.20 betrieb+praxis Und wie verhält es sich, wenn der Zugang zur Baustelle nicht möglich ist, weil diese in einem Quarantäne-Gebiet liegt? Es spricht einiges dafür, dass dies dem Ri- sikobereich des Auftraggebers zuzuordnen ist. Auch hier sollte der Auftragnehmer ge- genüber dem Auftraggeber vorsorglich Be- hinderung gem. § 6 Abs. 1 VOB/B anzeigen. Der Auftraggeber bildet bei der Prüfung von Abschlags- oder Schlussrechnungen einen ver- traglich nicht vorgesehenen „Corona-Risiko- einbehalt“ oder weist darauf hin, dass er die Rechnung des Auftragnehmers erst nach der Corona-Krise bezahlen wird. Zunächst hat der Auftragnehmer zu beach- ten, dass sich gerade in Bauverträgen Zah- lungsregelungen finden können, die nicht un- erheblich von den Maßgaben im BGB oder in der VOB/B abweichen. Grundsätzlich gilt, dass das BGB Regelungen zum Zahlungsver- zug enthält (§§ 286 ff. BGB). Leistet der Auf- traggeber auf eine Mahnung des Auftragneh- mers nicht, die nach dem Eintritt der Fällig- keit erfolgt, kommt er – der Auftraggeber – durch die Mahnung des Auftragnehmers in Verzug. Der Auftragnehmer sollte das Ver- senden von Mahnschreiben in der Corona- Krise mithin – aus rechtlicher Sicht – nicht aussetzen. Der Schuldner einer Entgeltfor- derung (z.B. Auftraggeber), kommt spätes- tens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung bezahlt (§ 286 Abs. 3 BGB). Geld- schulden sind während des Zahlungsverzugs zu verzinsen (§ 288 Abs. 1 BGB); befindet sich der Auftraggeber also im Zahlungsverzug, laufen entsprechende Verzugszinsen auf. Ver- brauchern und Kleinstunternehmern als Ver- tragspartnern kann jedoch nach dem „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID- 19-Pandemie“ vom 27.03.2020 ein Zahlungs- aufschub zugute kommen. Eine vom Fachverband Schloss- und Be- schlagindustrie (FVSB) beauftragte Fachan- wältin kam bereits im Februar 2020 in einem Kurzvermerk eindeutig zu dem Ergebnis, dass Türen nicht mit allen erforderlichen Beschlä- gen komplett geliefert werden müssen. An- lass für die Prüfung war eine anderslautende Behauptung eines Herstellers, die für Verun- sicherung im Markt gesorgt hatte. Hauptpunkt der Argumentation ist, dass die Beschlagkomponenten keinen Einfluss auf die Leistungseigenschaften der Tür haben. Ferner wird in den europäischen Normen für Außen- türen hEN 14351-1 und Innentüren EN 14351-2 (nicht im OJEU genannt, daher nicht harmo- nisiert) nicht auf einzelne Beschlagkompo- nenten hingewiesen. Im Kurzvermerk heißt es dazu: „Eine Ergänzung von Komponenten, die keine Auswirkung auf die für den Verwen- dungszweck erforderlichen Leistungseigen- schaften haben, ist ohnehin immer möglich.“ Der FVSB berichtet weiter: „Mehrere Fundstel- len in den Normen weisen eindeutig auf die Austauschbarkeit bzw. Ergänzungsfähigkeit hin, so insbesondere Tabelle A1 in Anhang A. Ausgenommen hiervon sind Türen für den Brandschutz nach EN 16034, allerdings nur Außentüren, da die Norm für Innentü- ren, wie bereits erwähnt, nicht als harmo- nisierte Norm gilt. Für Brandschutz-Innen- türen gelten unverändert nationale Rege- lungen. Bei Brandschutztüren dürfen Kom- ponenten nicht ohne weiteres ausgetauscht werden, was auch der bisher gängigen Pra- xis entspricht. Für Türen mit besonderen An- forderungen schlägt die Rechtsanwältin das Beifügen einer Liste mit möglichen Produkten vor. Bänder werden allerdings als Mindest- bestandteil der Tür eingestuft und sind nicht austauschbar, da diese das Türblatt mit der Zarge verbinden. Zusammenfassend kann gesagt werden: Be- schlagkomponenten sind austauschbar und er- gänzungsfähig, bis auf die Ausnahmen Brand- schutztür und Türen mit besonderen Anforde- rungen, wie Fluchttüren. Aus normativer und rechtlicher Sicht besteht keine Notwendigkeit zur vollständigen Lieferung einer ‚üblichen‘ Tür. Es ergibt sich somit keine Änderung zum bishe- rigen Lieferverhalten.“ www.fvsb.de GETRENNTE LIEFERUNG VON TÜREN UND BESCHLÄGEN BISHERIGE PRAXIS IST UNVERÄNDERT MÖGLICH ABMAHNUNG WEGEN DER NUTZUNG DER BEZEICHNUNG „SPUCKSCHUTZ“ MARKENVERLETZUNG ODER NICHT? In seinem Newsletter vom 22. April berich- tet der Bundesinnungsverband des Gla- serhandwerks (BIV), das die Bezeichnung „Spuckschutz“ für Kunststoffscheiben, die aktuell an Kassen von vielen Geschäf- ten aufgestellt werden, um eine Über- tragung des Corona-Virus von Mitarbei- tern auf Kunden und umgekehrt zur ver- hindern, markenrechtlich geschützt sei. Ein Ehrenamtsträger des Glaserverbandes aus Bayern habe berichtet, dass die Bezeich- nung „Spuckschutz“ in diesem Zusammen- hang in Österreich zum Inhalt einer juris- tischen Auseinandersetzung geworden sei. Neben einer Unterlassung und Beseitigung des „gesetzwidrigen Umstands“ fordere die Firma Gyrcizka KG gegenüber einem Betrieb vorläufig 15.000 Euro Schadenersatz - dazu sämtliche Rechnungen, aus denen die unter dem Titel „Spuckschutz“ erzielten Umsät- ze und Gewinne hervorgehen, heißt es im Newsletter für die BIV-Mitglieder. Nach Aussage des Anwalts der Gyrcizka KG sei die Marke „Spuckschutz“ seines Mandan- ten europaweit geschützt. Auf dem Internet- Rechtsanwaltportal www.anwalt.de heißt es zu dem Thema (Stand 23. April): „Im Ein- zelfall stellt sich die Frage, ob wirklich eine markenmäßige Benutzung vorliegt, nur dann kann überhaupt die Nutzung eines Zeichens verboten werden.“ Man müsse den Einzel- fall prüfen. Und weiterheißt es im Artikel zum Thema Spuckschutz-Streit: „Es liegen mitt- lerweile mehrere Spuckschutz-Abmahnun- gen vor. In allen uns voliegenden Fällen liegt unserer Auffassung nach keine markenmäßi- ge Benutzung und damit keine Markenver- letzung vor. Eher im Gegenteil, können An- sprüche wegen unlauterem Wettbewerb vor- liegen ... und gleichzeitig Ansprüche wegen Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ... Ob Ansprü- che bestehen, ist grundsätzlich anhand einer Einzellfallabwägung festzustellen.“ Rechtsanwalt Jörg Teller ist Fachanwalt für Bau- und Archi- tektenrecht in der Frankfurter Kanzlei SMNG Rechtsanwalts- gesellschaft mbH (www.smng.de) . Foto: © SMNG
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