Gebäudehülle 3/2020
79 GEBÄUDEHÜLLE 03.20 FASSADE fassade tageslichtlenkung dr.-ing. helmut köster Helmut Köster leitet das Entwicklungsbüro Köster Lichtplanung, hat weltweit über 600.000 m² Lichtlenksysteme für Glasdächer und Fassaden in der Umsetzung begleitet und über 100 Patente auf dem Gebiet der Lichttechnik. Darüber hinaus ist er Autor zahlreicher Veröffentlichungen und Bücher. www.koester-lichtplanung.de JalousiebehangzweiunterschiedlicheFunktions- zonenmiteinerhochkomplexenSpiegeloptik,die jedoch leicht zu beherrschen ist, da der Behang aufmaximaleDurchsicht inhorizontalerLamel- lenlage gestellt ist. EinSchließender Behänge er- folgt nur bei flacher Sonne < 30° Sonneneinfall. gebäudehülle: Spiegel können blenden.Wie vermeiden Sie die Blendung des Innenraumnut- zers und der Gebäudeumgebung? köster: Mit Hilfe von sogenannten Raytra- cern (Strahlenverfolgungssoftware) erkennen wir für jeden beliebigenEinfallswinkel der Son- ne die Richtung der Lichtumlenkung nach in- nen oder nach außen. Es ist eine hohe Kunst, die Reflektoren so zu berechnen und zu ferti- gen, dass das Licht zurück in den Himmel re- flektiert wird ohne gegenüberliegendeGebäude oder den Straßenraum mit störenden Reflexi- onen zu belasten. Lichtstrahlung, die nach in- nen umgelenkt wird, wird im unteren Fenster- bereich steil an dieDecke und ab etwa 1,80Me- ter Raumhöhe horizontal in die Raumtiefe ge- lenkt, so dass eine Blendung immenschlichen Auge verhindert ist. gebäudehülle: Ist das alles noch Theorie, oder haben Sie schon Messwerte von Prüfinsti- tuten und Bauvorhaben mit Ihren Lichtlenksys- temen umgesetzt? köster: Mit einfacheren Spiegelgeometrien haben wir die ersten Bauvorhaben bereits im Jahre 1988/89 fertiggestellt. Seither sind eine ganze Reihe von Projekten realisiert worden. Beispielhaftnenne ich andieser Stelle nur einige Bauvorhaben mit Retro-Lamellen aus meinen Patenten, wie die Fassade des debis-Gebäudes am Potsdamer Platz in Berlin, das Blue-Win Hochhaus in Zürich, der Energy Tower in Linz oder das neueGrandEgyptianMuseum(GEM) an den Pyramiden von Gizeh mit ca. 6.000 m 2 Lichtumlenkung im Dach. Weitere größere Bauvorhaben sind in Planung. Betonenmöch- te ich, dass wir in der Entwicklung von derDBU und dem Bundesministerium für Wirtschaft unterstützt wurden, zum Teil im Rahmen von Gemeinschaftsforschungsvorhaben zusammen mit Fraunhofer Instituten und der TU-Berlin, die die lichttechnischen und g-Wert-Messun- gen durchgeführt haben. gebäudehülle: Welche Vorteile sehen sie durch die Lichtumlenkungstechnologie für die Fassadenbauer? köster: Der Fassadenbau wird profitieren, weil wir den ewigen Kampf gegenÜberhitzung von Glasfassaden gewonnen haben – insbe- sondere die CC-Fassaden. Wir reduzieren die Temperaturen in der Kavität und die Tempe- ratur der Innenverglasung. Das bringt ther- mischen Komfort. Die gleichzeitige Durch- sicht und die optimierte Tageslichtausleuch- tung erhöhen den visuellen Komfort. Ein wei- terer Gewinner ist die Energiebilanz und der CO2-Footprint vonGebäuden. Wir weisen an- hand ausgeführter Bauvorhaben einen umbis zu 30 Prozent verminderten Gesamtenergie- verbrauch in Folge reduzierter Kühllasten und wesentlich verbesserter Tageslichtautonomie nach. Die künstliche Beleuchtung hat einen Anteil von ca. 30 Prozent am Gesamtenergie- verbrauch von Verwaltungsgebäuden. Diesen Verbrauch reduzieren wir um 50 Prozent und damit gleichzeitig die Kühllasten. gebäudehülle: Ist es nicht sinnvoller, die Fenster mit Photovoltaik zu beschatten? köster: Die Lichtumlenkung nach innen er- folgt fast verlustfrei ohne großen technischen Aufwand, während die Photovoltaik immer noch einen vergleichsweise bescheidenenWir- kungsgrad hat. Das Kosten-/Nutzenverhältnis der Tageslichtnutzung ist unvergleichlich viel höher. Dazu kommt die positive Wirkung des natürlichen Tageslichtspektrums auf die Ge- sundheit der Nutzer. Fotos: © Köster Lichtplanung Monofokale Lichtumlenkung: Auf die Lamellen einfallende Lichtstrahlung wird monoreflektiv, d. h. mit einer einzigen Reflexion zurück in den Himmel gelenkt. Dies ermöglicht äußerst minimale g-Werte bei horizontaler Lamellenlage. Bei flachem Lichteinfall wird die Jalousie wie üblich weiter zugedreht. Bifokale Lichtumlenkung im Oberlichtbereich: Die Lamellen haben an den Kanten Lichtfängerflügel, die Zenitstrahlung sowie flachere Sonne einfangen, um Innenräume oberhalb 1,8 Meter in der Raumtiefe auszuleuchten (Patent Dr. Köster).
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