Gebäudehülle 3/2020

76 GEBÄUDEHÜLLE 03.20 FASSADE fassade tageslichtlenkung Tageslichtumlenksysteme in der FAssade sparen elektrische Beleuchtung und reduzieren Klimalasten. Zudem fördern sie das Wohlbefinden der Raumnutzer. Dr.-Ing. Helmut Köster, Spezialist für die Planung individueller Tageslichtlösungen, erläutert im Interview mit GEbäudehülle weitere Vorteile dieser Systeme. gebäudehülle: Welche gesundheitlichen Auswirkungen hat eine natürliche Tageslicht- versorgung von Büroräumen? köster: Wir leben heute in unseren Häusern in biologischer Dunkelheit. Die menschliche Physiologie wird durch Intensität und Farbe des natürlichen Tageslichtspektrums getrig- gert. Stichworte: Circadianer Rhythmus, Me- latonin- und Serotoninspiegel im Blut. Mela- tonin ist ein Schlafhormon und wird durch hohen Rotanteil angeregt. Ein höherer Blau- anteil und eine erhöhte Tageslichtintensität reduziert Melatonin und fördert den Corti- solspiegel sowie den Serotoninspiegel. Se- rotonin gilt als Glückshormon. Bei 500 lx am Arbeitsplatz tut sich in der menschli- chen Physiologie nichts. Die Arbeitsstätten- richtlinien und DIN-Normen fordern ledig- lich Beleuchtungsstärken, um Sehaufgaben zu erfüllen. Anforderungen zur Versorgung der Physiologie mit ausreichendem Tages- licht sind weder in den technischen Richt- linien noch in den gewerkschaftlichen oder arbeitsmedizinischen Richtlinien veran- kert. Wesentliche fotobiologische Vorgänge im menschlichen Organismus finden zwi- schen 300 nm und 800 nm statt. UV-Strah- lung < 300 nm dient nicht nur der Vitamin D3-Bildung, sondern auch der Bakterientö- tung. 85 Prozent aller Sinneswahrnehmun- gen sind optischen Ursprungs. Licht ist da- mit der Mittler zwischen Umwelt und Ge- hirn. Für diese kommunikative Leistung im Gehirn werden 25 Prozent unseres Energie- haushaltes benötigt. Die Sehschärfe nimmt im Alter stark ab. Das kann durch die Hel- ligkeits- bzw. Beleuchtungsstärken zum Teil kompensiert werden, weshalb der natürli- chen, guten Tageslichtausleuchtung ein be- sonderer Stellenwert zukommt. gebäudehülle: Die Beleuchtungsindustrie ist schon auf den Zug aufgesprungen, mittels eines Wechsels von Beleuchtungsintensität und Lichtstärke den circadianen Zyklus des Men- schen anzuregen. köster: Sehr gut, aber warum mit Kunst- licht? 19 Prozent des Gesamtenergiebedarfs der Welt geht auf das Konto der künstlichen Beleuchtung. Wenn wir wirklich sparen wol- len, sollten wir mit der natürlichen Ressour- ce Tageslicht verantwortlicher umgehen und nicht immer nur die Schotten dicht machen und die künstliche Beleuchtung zünden. Tageslicht intelligent nutzen gebäudehülle: Und welche Vorteile bie- tet in diesem Kontext die Tageslichtlenkung? köster: DasnatürlicheTageslicht bietet vielAn- regung: Die Sonne ändert ständig ihre Positi- on, ihre Helligkeit, ihre Lichtfarbe. Der bewölk- te Himmel bietet auch Variationen. Dieses Ge- schehen über denTag könnenwirmittels Licht- tlenksystemen indie Innenräumeholenundzur menschlichen Freude und physiologischen und psychologischenBelebung erlebbarmachen.Die Größen unserer Glasfassaden reichen aus, um Innenräume auch in großer Tiefe natürlich aus- zuleuchten. Dazu benötigt man allerdings ei- ne Lichtumlenkung, die den diffusen Himmel einfängt und in große Raumtiefen einleitet. Die Technologie der Tageslichtumlenkung ermög- licht es, Innenräume mittels Spiegeln oder Pris- men in großen Raumtiefen wirkungsvoll aus- zuleuchten und/oder die Innenräume mittels Lichtauslenkung der Sonnenstrahlung zurück in den Himmel vor Überhitzung zu schützen. gebäudehülle: Worin liegt der Unterschied zu herkömmlichen weißen Lamellen? „Die verbesserte Tageslichtlenkung dient der Stromeinsparung für elektrische Beleuchtung und der Gesundheit!“ Dr.-Ing. Helmut Köster Im unteren Behangbereich sind monofokale, lichtauslenkende Lamellen, im oberen Behangbereich bi- fokale Lamellen eingebaut, die Zenitlicht blendfrei in die Innenraumtiefe umlenken, und zwar bei offe- ner, horizontaler, durchsichtiger Lamellenstellung. Foto: © Köster Lichtplanung Foto: © Dr.-Ing. Helmut Köster

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