Gebäudehülle 3/2020
108 gebäudehülle 03.20 betrieb+praxis betrieb + praxis aus der rechtspraxis viele bauunternehmen – auch Fenster- und Fassa- denbaubetriebe – fragen sich in derartigen Fällen, ob sie bei einem erkennbar mangelhaften Leistungsverzeichnis ohne großes Zutun anbieten und auf Nachtragsverg tung hoffen d rfen oder ob es geboten ist, die Auftraggebersei- te auf erkannte Unstimmigkeiten in der Angebotsphase hinzuweisen. Das Oberlandesgericht M nchen hat sich in einer k rzlich veröffentlichten Gerichtsentscheidung mit diesen Fragen beschäftigt, deren Entscheidung f r die Auftragnehmerseite – so das Vorbringen im Rechts- streit – von „existentieller“ Bedeutung war. aktueller fall Der Streitsachverhalt wurde lediglich stark gek rzt veröf- fentlicht. Ausgangspunkt des Rechtsstreits war offensicht- lich ein Bauvertrag, bei dem sich die Auftragnehmerseite gegen ber demAuftraggeber zur Lieferung undMontage von verzinkten Stahlbauteilen einer Fassade verpflichtet hat. Der Vertrag sah eine Beschichtung der Stahlbauteile vor. Eine aus Sicht des später tätigen Gerichtssachverstän- digen erforderliche Vorbehandlung sah das vertragsge- genständliche Leistungsverzeichnis nicht vor. Nach Aus- f hrung und Abnahme der Fassadenbauleistungen wa- ren bei den verzinkten Stahlbauteilen Korrosionserschei- nungen mit Abplatzungen an der Fassade zu beobachten. Nachdem der Auftragnehmer denMangelr gen der Auf- traggeberseite nicht im gew nschten Umfang näherge- treten war, kam es zu gerichtlichen Auseinandersetzun- gen. Mit Blick auf umfassende Mangelbehauptungen des Auftraggebers wurde der Streitwert des Berufungsverfah- rens auf 635.550 Euro festgesetzt. ImRahmen des Rechtsstreits hat der gerichtliche Sach- verständige festgestellt, dass die Korrosion der verzink- ten Stahlbauteile der Fassade darauf zur ckzuf hren ist, dass sie f r die nachfolgende Beschichtung unzureichend vorbehandelt waren. Die notwendige chemische Vorbe- handlung hätte beispielsweise auf Phosphatbasis erfolgen können. Der Auftragnehmer ist der Mängelargumentati- on des Auftraggebers insbesondere mit demHinweis ent- gegengetreten, das vertragsgegenständliche Leistungsver- zeichnis enthalte keine Vorbehandlung und damit auch keine Phosphatierung, weshalb er diese Leistung auch nicht geschuldet habe (OLG M nchen, Beschluss vom 23.06.2016, Az: 27 U 2283/15 Bau; BGH, Beschluss vom 26.06.2019, Az: VII ZR 199/16; Ripke, in IBR-Werkstatt- Beiträge, 12.02.2020). entscheidung des oberlandesgerichts münchen Das Oberlandesgericht M nchen folgt der Argumentati- on des Auftragnehmers nicht. Er hat f r die streitgegen- ständlichen Mängel einzustehen. Das Gericht weist mit Blick auf die Feststellungen des Gerichtssachverständi- gen darauf hin, dass die Korrosionserscheinungen im Ergebnis auf der mangelnden Vorbehandlung der Bau- teile beruhen. Das Argument des Auftragnehmers, dass das Leistungsverzeichnis aber keine Vorbehandlung der Stahlbauteile vorgesehen habe, hat das Gericht nicht gel- ten lassen. Das Oberlandesgericht M nchen hat vielmehr Folgendes herausgearbeitet: M ssen Bauteile zwingend vorbehandelt werden, weil es anderenfalls zu Abplatzungen kommt, hat der Auf- tragnehmer die erforderliche Vorbehandlung auch dann Vorsicht bei unvollständigen Leistungsverzeichnissen Wenn Ein Fenster- oder Fassadenhersteller von der Auftraggeberseite Vertragsunterlagen mit einer erkennbar lückenhaften, unklaren und/oder mangelhaften Leistungsbeschreibung erhält, sollte er nicht per se auf eine Nachtragsvergütung hoffen. Fehlen wichtige Details für die Funktionalität und Dauerhaftigkeit von Bauelementen in der Leistungsbeschreibung, sollte der Auftragneh- mer rechtzeitig Beden- ken anmelden bzw. durch klärende Rückfra- gen - ggf. in der Ange- botsphase - seinen Ver- tragsinhalt ermitteln. Foto: © Vössing
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