Gebaeudehuelle 2-2021

31 gebäudehülle 02.21 fassade gungen. Gerstmann: „Es geht im modernen Wohnbau vor allem darum, Loggien und Balkone tageslichtwirk- sam zu planen, und beispielsweise den Verlust an Tages- licht durch größere oder auch zusätzliche Glasflächen zu kompensieren.“ Zudem reicht es für den Nachweis der Sommertauglichkeit nicht aus, Überstände für den Son- nenhöchststand (21. Jun. 12:00) auszulegen, weil auch die intensive Sonne aus Süd-Ost und Süd-West mitberück- sichtigt werden muss. Da sich bei Gebäuden mit guter thermischer Hülle die Überwärmungsperiode von Ende April bis Anfang Oktober erstreckt, wären auf Südfassa- den Auskragungen von mindestens 2,5 Meter notwendig. Dies reduziert jedoch den Lichteintrag permanent um 60 Prozent und mehr und sperrt die Sonne auch an Nicht- Hitzetagen zur Gänze aus – ein Sommer ohne Sonne. Um einen art- bzw. bedarfsgerechten Eintrag von Sonne und Licht zu gewährleisten, bedarf es daher immer einer va- riablen Beschattung in Form von Fenstermarkisen, Raff- storen, Roll- und Schiebeläden. tageslichtversorgung über das ganze jahr sicherstellen Schutz vor zu intensiver Sonneneinwirkung ist eine tem- poräre Herausforderung, die sich auf ca. 30 Prozent der Tagesstunden in der warmen Jahreszeit beschränkt, wäh- rend eine gute Tageslichtversorgung das ganze Jahr si- chergestellt sein sollte und insbesondere für die dunklere Jahreshälfte von ganz besonderer Bedeutung ist. Gerst- mann: „Kunstlicht am Tag sollte weder aus biologischer noch aus energetischer Sicht die Konsequenz dafür sein, Gebäude vor Überwärmung zu schützen. Weltweit verur- sacht elektrische Beleuchtung etwa 15 Prozent des gesam- ten Stromverbrauchs und fünf Prozent der Treibhausga- se.“ Gerstmann führt weiter aus: „Diese Bestandsaufnah- me veranschaulicht, dass sich in den letzten 100 Jahren nicht nur die Mindestanforderung für eine ausreichende Belichtung real um 30 bis 85 Prozent verschlechtert hat, sondern man kann sich generell nicht des Eindrucks er- wehren, dass Tages- und direktes Sonnenlicht wissentlich oder unwissentlich anderen bautechnischen Anforderun- gen geopfert wurden.“ Denn im Gegensatz zu anderen Grundbedürfnissen wie gute Raumluft oder ausreichen- der Schallschutz stellt eine effektive Tageslichtversorgung derzeit keine Disziplin in der Gebäudeplanung dar. ImHinblick darauf, dass Gebäude energieeffizient sein bzw. werden müssen, dies aber nicht zu Lasten des Kom- forts gehen darf (nachzulesen in der EU-Gebäudericht- linie), muss zukünftig der Schutz vor Überwärmung die Tageslichtversorgung mit berücksichtigen. Als Exper- te des Bundesverbandes Sonnenschutztechnik fordert Gerstmann daher, dass Tageslicht eine Planungsdiszi- plin werden sollte und sich die OIB hinsichtlich der er- forderlichen Mindestbelichtung an die modernen Bau- weisen und Bauelemente anpassen muss. Loggia 1,5 Meter, Belichtung 12 % Architekturlichte Loggia 1,5 Meter mit Tageslichtkompensation Freier Lichteinfall 12 % Architekturlichte Überhang 1,5 Meter, Belichtung 12 % Architekturlichte BEISPIELHAFTE DARSTELLUNG Grafiken: © BVST Wie sehr die Belichtung von baulichen Maßnahmen beein- flusst werden kann, wird an einem typischen Wohnraum eines Mehrfamilienhauses gezeigt. Raumgeometrie 4,5 x 6,0 x 2,5 Meter (BxTxH), Belichtungsfläche (Architekturlich- te) 12 Prozent der Bodenfläche (siehe Grafiken oben). Beim Vergleich der Varianten „Freier Lichteinfall“, „Überhang 1,5 Meter“ und „Loggia 1,5 Meter“ wird sichtbar, dass bau- liche Maßnahmen zu deutlichen Einbußen bei der Belich- tung führen. Die in der OIB-RL3 und in der deutschen Mus- terbauordnung (MBO) salopp formulierte Mindestbelich- tungsfläche kann daher nur für Wohnungen ohne hori- zontale oder vertikale Überstände Gültigkeit haben, und zudem muss die Lichttransmission der Verglasungen mit- berücksichtig werden. Um Lichteinbußen so gut wie mög- lich zu kompensieren, muss die Lichteintrittsfläche ent- sprechend vergrößert oder ein zusätzliches Lichtelement gesetzt werden. Im Fall einer Loggia mit 1,5 Meter Tie- fe wurde die Netto-Belichtungsfläche von zehn Prozent der Wohnraumfläche auf 30 Prozent erhöht, um eine Tages- lichtversorgung zu erreichen, die dem ursprünglichen Sinne einer Mindestbelichtung entspricht. Fazit: Eine ausreichen- de Belichtung lässt sich auch bei Vorbauten gewährleisten, wenn bei der Belichtung, analog zu den solaren Gewinnen, Abschattungsfaktoren mit berücksichtigt werden. kurzinfo bvst Der Bundesverband Sonnenschutztechnik (BVST) ist der Dach- verband der österrei- chischen Sonnen- schutzindustrie. Ko- operationspartner sind u. a. klima:ak- tiv, IBO, ÖGUT, DECA, Bau.Energie.Umwelt. Cluster NÖ und die Plattform Innovative Gebäude Österreich. Der Verband reprä- sentiert 20 Mitglieds- betriebe mit insge- samt über 1.500 Be- schäftigten. Der BVST ist Gründungsmit- glied des Europäi- schen Dachverbandes ES-SO (European Solar Shading Organiza- tion), zu dem 27 Mit- gliedsverbände zäh- len. www.bvst.at

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