Gebäudehülle 2/2020

34 gebäudehülle 02.20 fassade fassade bauen mit holz ganz im süden hamburgs befindet sich der auf fruchtbarem Marschland eingedeichte Stadtteil Kirch- werder. Die bis dato vergleichsweise dünn besiedelte, ur- bane Randzone erfährt imZuge fortschreitender Verstäd- terung, knapper Flächen und mangelnden Wohnraums im Kerngebiet der Hansestadt eine zunehmende Beach- tung. Im Rahmen der Umwidmung eines ehemaligen Fabrikgeländes zu einem neuen Wohn-Gewerbe-Areal wurde ein altes Getreidesilo zu einemmehrgeschossigen Holzbau umgebaut. Insgesamt sind auf sechs Stockwer- ken zehn barrierefreie Mietwohnungen mit jeweils rund 86 Quadratmetern Wohnfläche entstanden. Da ein Be- bauungsplan fehlte, wurden der Sechsgeschosser nach §34 Baugesetzbuch (BauGB) genehmigt. erschliessungskern mit brandwand Bei der im feuchten Marschland ohne Unterkellerung vollzogenen Gründung konnten weite Teile der aus dem Bau der ehemaligen Brotfabrik bereits vorhandenen Bohrpfähle wiederverwendet werden. Nur in wenigen Teilbereichen war es erforderlich, zusätzliche Stahlbeton- Bohrpfähle zwölf Meter tief in den Untergrund zu ram- men. Ebenso konnte die alte Bodenplatte weiterhin ge- nutzt werden, so dass nur vormals bekieste Flächen, die nun als Fundament benötigt wurden, eine neue Stahlbe- ton-Bodenplatte erhielten. Der weitere Aufbau erfolg- te mehrstufig. Zuerst wurde der Erschließungskern, der das Treppenhaus und den Aufzugsschacht beherbergt, hochgezogen. Dessen mineralische Ausführung erfolg- te brandschutzbedingt als Brandwand REI-M 90, wo- bei die Tragfähigkeit und raumabschließende Funktion im Brandfall für mindestens 90 Minuten erhalten blei- ben muss. Zugleich übernimmt der Erschließungskern mit seinen 26 Zentimeter dicken Stahlbetonwänden auch statische Aufgaben. Gemeinsam mit dem mineralischen Erdgeschoss leitet er die Lasten des Holzbaus in die Fun- damente ab und steift den Wohnturm, zusammen mit zwei Holzbau-Wandscheiben, aus. Die Zugverankerung der Holzwände wurden mittels eines Stahlteils durch die Bestandsdecke in eine neu betonierte Wand ausgeführt. Darüber hinaus erfolgt der lineare Lastabtrag des Wohn- turms über Holzbeton-Verbunddecken und BSP-Wände in das Erdgeschoss. Die alte, leichte Stahlkonstruktion des Silos konnte nicht verwendet werden, da diese den sta- tischen Erfordernissen eines sechsgeschossigen Wohn- baus nicht genügte. massivholz-konstruktion mit vorhangfassade Die Gebäudehülle besteht, bis auf das mineralisch ausge- führte Erdgeschoss, aus einer massiven Konstruktion aus Brettsperrholz (BSP), bestehend aus fünf Lamellen von zusammen 14 Zentimetern. Gemäß der zu erreichenden Brandschutzklasse F90-B hat man diese innenseitig mit doppelten Gipsfaserplatten von 2 x 18 Millimeter K260 beplankt. Nach außen sorgen mit Wandhaltern, Schrau- ben und Dämmstofftellern auf den BSP-Elementen be- festigte, 24 Zentimeter starke Steinwolle-Dämmplatten für eine effiziente Wärmedämmung. Ein Vorteil der mi- neralischen Dämmplatten besteht darin, dass sie werk- seitig bereits über ein kaschiertes, diffusionsoffenes Vlies verfügen, was einen Arbeitsgang beim Aufbau der Ge- bäudehülle einsparte. Zudem weisen sie aufgrund einer brandschutzbedingten Sonderanfertigung die extrem ho- he Rohdichte von >70 kg pro Kubikmeter auf, was zum Wohn-Turm aus Holz In Hamburg zeigt die Umwandlung eines Getreidesilos in ein sechsgeschossiges Mehrfamilienhaus beispielhaft, welches Potenzial in dem vielseitigen Werkstoff Holz steckt. Die abschliessende Vorhangfassade des Massivholzgebäudes erfüllt gleich mehrere Aufgaben und verleiht ihm ein modernes Antlitz. Der fertiggestellte, sechsgeschossige Mas- sivholzbau mit Vor- hangfassade in seiner Ostansicht. Foto: © Mennerich GmbH Lutz Bosian

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