Fassade 6/2019

44 FASSADE 6/2019 BRANCHE | Aus der Rechtspraxis Im Rahmen der Entscheidung zum zweiten Fall betreffend die Tiefbauarbeiten hat sich das Oberlandesgericht Oldenburg mit den Anforderungen an eine Behinderungsanzei- ge gemäß § 6 Abs. 1 VOB/B befasst und in- soweit Folgendes festgestellt: Eine Behinde- rungsanzeige gemäß § 6 Abs. 1 VOB/B muss alle Tatsachen enthalten, aus denen sich für den Auftraggeber mit hinreichender Klar- heit und erschöpfend die dem Auftragneh- mer bekannten Hinderungsgründe erge- ben. Die Angaben müssen sich darauf erstre- cken, ob und wann seine Arbeiten, die nach dem Bauablauf nunmehr ausgeführt werden müssten, nicht oder nicht wie vorgesehen ausgeführt werden können. Der Auftrag- nehmer müsse eine sachgerechte Auseinan- dersetzung des Auftraggebers mit konkreten Hinderungsgründen ermöglichen. Schließ- lich hat das Oberlandesgericht festgehal- ten, dass der Sinn und Zweck einer Behin- derungsanzeige darin bestehe, den Auftrag- geber vor drohender Inanspruchnahme zu warnen und ihm Gelegenheit zur Abhilfe zu verschaffen (OLG Oldenburg, Urteil vom 20.08.2019 – AZ: 2 U 81/19). Für die Praxis Die ordnungsgemäße Bedenkenmitteilung nach § 4 Abs. 3 VOB/B kann eine erhebli- che Rechtswirkung zu Gunsten des Auftrag- nehmers entfalten; nämlich eine Haftungs- Baustellenschriftverkehr – Rechtliche Anforderungen Ein ordnungsgemäßer Baustellenschriftver- kehr kann einerseits das Ziel haben, Konflik- te am Bau zu vermeiden; andererseits kann ein an den vertraglichen Anforderungen ori- entierter Schriftverkehr vermeiden, dass der wirtschaftliche Erfolg des Bauvorhabens für den Auftragnehmer gefährdet wird. Hierbei geraten die Bedenkenmitteilung gemäß § 4 Abs. 3 VOB/B und die Behinderungsanzeige gemäß § 6 Abs. 1VOB/B in den Blick. Mit der Frage, wie richtigerweise Bedenken mitzutei- len und Baubehinderungen anzuzeigen sind, befassen sich zwei kürzlich veröffentlichte Gerichtsentscheidungen. Aktuelle Fälle Im ersten Fall hatte sich der Auftragnehmer zur Sanierung einer Straße im Rahmen ei- nes VOB-Bauvertrages verpflichtet. Dem Vertrag entsprechend hat der Auftragneh- mer die alte Asphaltdecke der Straße ab- gefräst und eine neue Asphaltdecke einge- baut. Der Unterbau blieb hierbei erhalten. Nach der Abnahme der Arbeiten bildeten sich Spurrillen im Bereich einer Bushalte- stelle, die der Auftraggeber gegenüber dem Auftragnehmer als Mängel angezeigt hat. Der Auftragnehmer hat eine Gewährleis- tungsverpflichtung ausdrücklich zurückge- wiesen. Er wird schließlich mit einer Kla- ge auf Zahlung eines Vorschusses betref- fend die Beseitigung der Beanstandungen in Anspruch genommen. Der Auftraggeber begründet seinen Anspruch auch mit der Verletzung der Prüf- und Hinweispflichten des Auftragnehmers (LG Bonn, Urteil vom 17.10.2018 – AZ: 1 O 79/11). Im zweiten Fall hatte sich der Auftragneh- mer zur Ausführung von Tiefbauarbeiten verpflichtet. Die Geltung der VOB/B war vereinbart. Geschuldet waren insbesonde- re die Ausführung von Straßenbau- und Ka- nalarbeiten sowie Verkehrssicherungsmaß- nahmen. Die Dauer der Arbeiten war vom 02.06.2014 bis zum 30.11.2014 vorgesehen. Der Auftragnehmer begann die Arbeiten am Der Auftragnehmer eines Bauvertrages hat die von ihm auszuführende Leistung ver- tragsgerecht und insofern auch den anerkannten Regeln der Technik entsprechend zu erbringen. Daneben ist der Auftragnehmer gehalten, einen Schriftverkehr mit seinem Auftraggeber zu führen, der den vertraglichen Maßgaben entspricht. 02.06.2014. An sich hätten zu diesem Zeit- punkt Versorgungsleitungen vollständig ver- legt sein müssen. Da die Leitungen Anfang Juni 2014 jedoch auf einem Teilstück von 500 m noch nicht vollständig verlegt waren, führte dies zu Behinderungen und Verzöge- rungen im Arbeitsablauf des Auftragneh- mers. Nach der Fertigstellung der Arbeiten und deren Abnahme forderte der Auftrag- nehmer u. a. Mehrkosten wegen Behinde- rungen in Höhe von €  311.140,53. Es kam auch hier zum Rechtsstreit. Hinsichtlich der streitigen Behinderungssachverhalte hat sich der Auftraggeber u. a. mit dem Hinweis auf lediglich „pauschal geschilderte“ Behinde- rungen sowie damit verteidigt, die Behin- derungsanzeigen seien formal nicht ausrei- chend und unzutreffend (OLG Oldenburg, Urteil vom 20.08.2019 – AZ: 2 U 81/19). Entscheidungen der Gerichte Bei dem erstgenannten Streit um Mängel an der Straßendecke hat sich das Landgericht Bonn eingehend mit den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Bedenkenmitteilung gemäß § 4 Abs. 3 VOB/B befasst. Das Land- gericht hat hierbei folgende grundlegende Anforderungen herausgearbeitet. Hat der Auftragnehmer Bedenken gegen die vorge- sehene Art der Ausführung, hat er sie dem Auftraggeber unverzüglich schriftlich mitzu- teilen. Die Mitteilung von Bedenken ist für die Auftraggeberseite nicht nur verständlich, sondern auch fachgerecht zu formulieren. Sie muss inhaltlich richtig sowie erschöpfend sein, damit der Auftraggeber klar ersieht, wo- rum es sich handelt und er demgemäß in ei- ne ordnungsgemäße Prüfung eintreten bzw. diese veranlassen kann. Schließlich muss der Auftragnehmer nach der Entscheidung des Landgerichts Bonn sicherstellen, dass seine Bedenken wahrgenommen werden. Wenn für ihn erkennbar werde, dass dies zweifel- haft ist, müsse er seine Bedenken gegebe- nenfalls erneut geltend machen (LG Bonn, Urteil vom 17.10.2018 – AZ: 1 O 79/11). Rechtsanwalt Jörg Teller ist Fach­ anwalt für Bau- und Architektenrecht in der Frankfurter Kanzlei SMNG Rechtsanwaltsgesell- schaft mbH (www.smng.de ) §

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