Fassade 6/2019

TECHNIK | Fachbeitrag 25 FASSADE 6/2019 Die Unterschiedlichkeit in den einzelnen Frequenzbändern macht deutlich, dass Ein- zahlwerte nicht ausreichen, um die akusti- sche Wirkung einer Fassade zu beschreiben. Entscheidend für eine sinnvolle Wirkung der Fassade sind Pegeländerungen im Be- reich des hochsensitiven Hörbereiches des Menschen von 500 Hz bis 4.000 Hz. Die hier dargestellte Pegelveränderung tritt in den Frequenzbändern ab 400 Hz auf. Die Pe- gelreduzierung an dem Messpunkt „Ost 2“ würde dafür sorgen, dass Fluglärmereignis- se nicht nur leiser, sondern auch als weniger störend wahrgenommen werden. Die hier vorgestellte Studie einer gefalte- ten schallharten Fassadenoberfläche macht deutlich, dass Projekte mit akustisch wirk- samen Fassaden anders gedacht werden müssen. • Der Außenraum eines Gebäudes kann nicht global akustisch betrachtet werden. • Es müssen Orte mit besonderen akusti- schen Qualitäten definiert werden. • Es müssen immer individuelle Lösungen für individuelle Orte gefunden werden. • Die erzielten Wirkungen müssen immer für einzelne Frequenzbänder im hoch- sensitiven Hörbereich des Menschen von 400 Hz bis 4.000 Hz betrachtet wer- den. Akustische Wirksamkeit mit absorbierenden Fassadenmaterialien Die Einführung von absorbierenden Mate- rialien gestaltet sich aus vielerlei Gründen nicht einfach. So sind die meisten bekann- ten absorbierenden Materialien offenporig. Das bedeutet, dass sie keine geschlossene Oberfläche aufweisen, die dem architekto- nischen Wunsch nach einer leicht geschlos- senen und wenig verschmutzenden Ober- fläche nachkommen. Auch sind zahlreiche Oberflächenstrukturen absorbierender Ma- terialen für den Einsatz in der Fassade nicht ausreichend widerstandsfähig. Eine Aus- nahme stellt hier eine besondere Form der Grünfassade dar. Vollflächige Gebäudebe- grünungen mit Substratmatten als Bewäs- serungsebene stellen nichts anders dar, als eine hochabsorbierende Fassadenfläche. Im Gegen- satz hierzu weisen topfge- bundene Begrünungssys- teme eine deutlich geringe- re absorbierende Wirkung auf. Das Gleiche gilt auch für Systeme, die aus gesta- pelten Gabionen gebildet werden. Um die akustischen Poten- ziale dieses Systems zu be- stimmen, wurde in Zusam- menarbeit mit dem Hersteller ein Mock-Up auf dem Campus der Frankfurt University an einer stark befahrenen innerstädtischen Straße errichtet. Der Straßenverkehrslärm wurde vor der Grünfassade in Zeitinterval- len mit annähernd konstanten resultieren- den Lärmpegeln gemessen. Die Messungen wurden für die drei in Abbildung 11 darge- stellten Situationen durchgeführt. Mit stärkerem Bewuchs wurde eine weitere Messung durchgeführt, um Aussagen über den Einfluss der Dichte des Bewuchses zu bekommen. Aus den vor Ort gemessenenVerkehrslärm- pegeln lässt sich ein Lärmreduzierungspo- tential von -3 dB ableiten. Über die Band- breite von 100 Hz bis 3.000 Hz bleibt die ge- messene Pegelreduzierung im Bereich von -2,5 dB bis 3,2 dB. Die Messungen mit mehr oder weniger Bewuchs zeigen nur sehr ge- ringe Unterschiede. Das bedeutet, dass im Falle des Einsatzes einer Grünfassade als Flächenabsorber das Substratmaterial über die akustische Qualität entscheidet und nicht die Bepflanzung. Um Grünfassaden- systeme akustisch wirksam einzusetzen, ist die Systemauswahl entscheidend. Die hier vorgestellte vertikale Fassadenbegrünung bietet durch die vollflächige Belegung der Fassadenfläche mit absorbierenden Materi- al ideale Absorbereigenschaften. Die Grün- fassade trägt nicht nur zur Verbesserung der akustischen Situation bei, sie ist zusätzlich in der Lage, Feinstaub zu binden und durch eine Erhöhung der Luftfeuchte in ihrer Um- gebung das städtische Klima positiv zu be- einflussen. Prof. Dr.-Ing. Hol- ger Techen lehrt an der Frankfurt University of Applied Sciences im Studiengang Architektur Tragwerklehre und Baukonstruktion. Dr.-Ing. Jochen Krimm forscht am Frankfurter For- schungsinstitut seit Jahren auf dem Gebiet der Akustik im urbanen Raum. Abbildung 10: Detailaufnahme der frisch bepflanzten Grünfassade. Abbildung 9: Frequenzverlauf für die Veränderung des Lärm­ eintrags während eines Vorbeiflugs in Messpunkt „Ost 2“. Abbildung 11: Die bemessenen Zustände der Testfläche am Nibelungenring in Frankfurt.

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