Fassade 6/2019
titelthema | Pfosten-Riegel- und Elementfassaden 17 FASSADE 6/2019 Richtung beweglich bleiben. Dies deshalb, weil sie keinerlei tragende Funktion haben. Wenn sich dasVordach beispielsweise durch Schneelast absenkt, darf die Last nicht auf die Traversen abgetragen werden. Die Wahl fiel daher auf eine zimmermannsmäßig aus- geführte Lösung: Die Stützenköpfe wurden mit Zapfen und Schiftung abgebunden und vor Ort in die passend dazu vorgefertigten Zapfenlöcher der Vordachkonstruktion ein- gepasst. Passend zur jeweiligen Schräge er- hielten auch die Stützenfüße Schifterschnit- te. Die so ausgeführte Konstruktion garan- tiert, dass die „Klebefäden“ einerseits sicher gehalten werden, andererseits beweglich bleiben. Darüber hinaus verleihen die Tra- versen dem „Core-Zentrum“ weltweit an- erkannter Klebstofftechnologie eine unver- kennbare Optik. Dipl.-Ing. (FH) Susanne Jacob-Freitag Dipl.-Ing. Christine Ryll Objekttafel Projekt: Neubau eines Forschungs- und Schulungszentrums für JOWAT Bauherr: JOWAT SE (Detmold) Architekten: IfuH – CKRS Architekten mit roedig schop Architekten Generalunternehmer: Ed. Züblin AG (Bereich ZÜBLIN Timber) Fertigstellung: 2018 der Bemessung waren nicht nur die Tragfä- higkeit der Decke oder deren Durchbiegung, sondern vor allem ihr Schwingungsverhal- ten. Die HBV-Decke kombiniert BS-Holz- Träger mit aufgelagerten Dreischichtplat- ten. Dabei wurden die Oberkanten der Trä- ger jeweils ausgefräst, um die Platten wie auf einer Konsole oberkantenbündig auf- zulegen. Es folgt eine 14 Zentimeter starke Betonschicht mit Bewehrung als oberste La- ge. Schubnocken, die die Binder bereits im Werk erhielten, stellen den kraftschlüssigen Verbund zwischen Holz und Beton her. Vor dem Betonieren wurden zudem alle Fugen sorgfältig abgedichtet, um zu verhindern, dass Zementschlämme durchsickert und die Holzoberflächen verunreinigt. In Fassadenebene wurden die Träger über Aluminiumverbinder, die man nach dem Prinzip einer Schwalbenschwanzverbin- dung zusammengefügt hat, mit BS-Holz- Stützen gekoppelt. Auf der gegenüberlie- genden Seite liegen sie über Auflagerta- schen auf Stahlbeton-Unterzügen auf, die wiederum auf den eingespannten Stahlbe- ton-Stützen ruhen. Damit die HBV-Decke nach der Endbelas- tung und mit Kriechverformung rechne- risch in der Horizontalen liegt, fertigte Züb- lin Timber die Binder mit einer Überhöhung von 4 Zentimeter an. Metalleinlagen für den Schallschutz Im Norden, Osten und Westen schließt der Neubau mit einer verglasten Pfosten-Rie- gel-Fassade aus Holz ab. Die Südfassade setzt sich aus einer hinterlüfteten Holzrah- menkonstruktion zusammen. Eine bis zu 2,50 Meter auskragende Vordachkonstruk- tion schützt die Hauptfassaden vor Wind und Wetter. Die Sekundärfassade mit den verschränkten Holzstaketen formt im Nor- den, Osten und Westen einen dreiseitigen Arkadengang, während der Sockelbereich der Südfassade als Rampe für die Anliefe- rung genutzt wird. Nur 10 Meter entfernt von den Büro- und Veranstaltungsräumen, die sich an der Längsfront des Neubaus an- einanderreihen, verläuft eine stark befahre- ne Bundesstraße. Daher musste die zur Stra- ße ausgerichtete Pfosten-Riegel-Fassade ei- nen erhöhten Schallschutz gewährleisten. Dies konnte durch dieVerwendung von spe- ziellen Schallschutzgläsern erreicht werden. Die Glasauflager und die gesamte Holzkon- struktion mussten für die hohen Gewich- te der Verglasung entsprechend angespannt werden. Die in Verlängerung einer Trennwand ste- henden Fassadenpfosten mussten mit einem Spezial-Aufbau schalltechnisch ertüchtigt werden. Durch einen Verbundquerschnitt mit hochgewichtigen Metalleinlagen bei den Fassadenpfosten konnte die Flankenüber- tragung entsprechend reduziert werden. Beweglich gehaltene Traversen Auch die „Klebefäden“, die in Gestalt von 130 BS-Holz-Traversen vor der Pfosten- Riegel-Fassade von unten nach oben zie- hen, erforderten eine durchdachte Lösung. Da es unwirtschaftlich war, 130 verschie- dene Stützen zu produzieren, wurden diese rhythmisch konzipiert bzw. angeordnet, um möglichst viele identische Bauteile fertigen zu können. Die Konstruktion musste zudem so gestaltet werden, dass die Traversen zwar oben gehalten werden, aber in vertikaler Da die Binder unterhalb der Holz-Beton-Verbunddecke sichtbar blieben, mussten sämtliche Fugen abgeklebt werden, um ein Durchsickern von Zementschlämme zu verhindern. Die Holz- Beton-Verbund-Decken haben eine Spannweite von 15 Metern. Oben schließen die Traversen mit Zapfen und Schifterschnitt an die Vordachkonstruktion an. So werden sie gehalten und bleiben dabei beweglich.
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