Fassade 6/2019

titelthema | Pfosten-Riegel- und Elementfassaden 13 FASSADE 6/2019 Optimale Tageslichtversorgung Der fast 50.000 Quadratmeter große Neu- baukomplex auf dem Campus der Harvard University in Boston wird künftig mehr als 1.300 Studenten, 450 Forschern und 80 Fa- kultätsmitgliedern Raum bieten. Der Neu- bau soll künftig den innovativen Geist der Universität vermitteln, deshalb wurden so- wohl neue Technologien in der Fassaden- technik genutzt als auch neue Maßstäbe in der Energieeffizienz von Gebäudehüllen ge- setzt. Neben hocheffizienten Verglasungssyste- men mit flächendeckender – in Nordameri- ka eher unüblichen – natürlichen Belüftung trägt insbesondere der externe Verschat- tungsscreen dazu bei, die ambitionierten energetischen Ziele zu erreichen. So werden die Kühllasten des LEED Platin Bauwerks alleine durch die externe Verschattung um ca. 45 Prozent reduziert, während alle In- nenräume über Atrien, Oberlichter und die Vertikalfassaden optimal mit Tageslicht ver- sorgt werden. Perfekt verschattet Nachhaltige Fassadenlösung für die renommierte Harvard University Intelligentes Fassadenkonzept Die Gebäudehülle des Bau- werks besteht aus einer Vielzahl an unterschiedli- chen Fassadentypen; die Hauptfassade wurde mit ei- ner halb-elementierten Stahlfassade realisiert, bei der zunächst vorgefertig- te Stahlleitern über mehrere Geschosse montiert und an- schließend verglast wurden. Die externe Verschattung ist mit einem Abstand von etwa 75 Zentimetern vor der Glas­ ebene angeordnet. Auf der Dachebene und am unteren Ende der entsprechenden Gebäudevolumen wurden Kragträger und horizontale – den Gebäudekanten folgende – Stahlträger an- geordnet. An diesen Stahlträgern wurden in einem Abstand eines halben Fassadenras- ters Zugstäbe befestigt, welche mit Spiral- federn am oberen Ende auf einemVorspan- nungsniveau von etwa 10 KN gehalten wer- den. Auf Höhe der Geschossebenen wurden zwischen der Glasfassade und der Verschat- tungskonstruktion horizontale „Pins“ ange- ordnet, die sich positiv auf die absolute Ver- formung und die Eigenfrequenzen auswir- ken. Hydroforming-Verfahren im Einsatz Die Verschattungselemente selbst variieren aufgrund der unterschiedlichen Orientie- rung in ihrer Form. Mithilfe von paramet- rischen Tools wurde die Grundform dahin- gehend programmiert, dass jeweils ein Op- timum aus Reduktion des Energieeintrages und Tageslichtausbeute sichergestellt ist. Zur Herstellung der Verschattungselemen- te wurde das aus der Automobilindustrie stammende Hydroforming-Verfahren ge- wählt. Dabei werden dünne Edelstahlble- Auf dem Campus der Harvard University ist in den vergangenen Jahren ein Neubaukomplex entstanden, welcher neue Maßstäbe in puncto Klimaeffizienz in Nordamerika setzt und dessen Erscheinungsbild zudem durch eine neu entwickelte Verschattungskonstruktion aus Zugstäben und etwa 13.000 hydrogeformten Edelstahl-Paneelen geprägt wird. che umgeformt, um Steifigkeit des Materials zu generieren. Dadurch konnten Material- stärken von 1,2 Millimeter realisiert werden, was sich positiv auf den Materialverbrauch und die graue Energie des Gebäudes aus- wirkt. Bei dem Herstellungsverfahren selbst wurden die ebenen Bleche in zuvor aus massivem Stahl gefräste Formen gepresst. In einem Zwischenschritt wurden die Ble- che zwischengeglüht um interne Spannun- gen in den Blechen abzubauen. Anschlie- ßend werden die Paneele von einem X-Achs Laser zugeschnitten und mit Glasperlen ge- strahlt. Weitere Schritte wie Umkanten oder Beschichten sind nicht mehr erforderlich. Objekttafel Projekt: Harvard University Science & Engineering Complex (Allston, MA) Architekturbüro: Behnisch Architekten Fassadenplaner: Knippers Helbig Fassadenbauer: Josef Gartner Fertigstellung: 2020 Fotos (2): © Knippers Helbig Zur Herstellung der Verschattungselemente wurde das aus der Automobilindustrie stammende Hydroforming-Verfahren gewählt. Die innovative Verschattungskonstruktion prägt das Erscheinungsbild des Gebäudes.

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