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FASSADE 5/2018

TECHNIK

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Interview

„GIPV bietet noch große Potenziale“

Im Gespräch mit Dieter Geyer (ZSW)

Herr Geyer, was ist der Vorteil einer gebäude-

integrierten Photovoltaikanlage (GIPV)

gegenüber einer auf dem Dach oder einer

Freiflächenanlage?

Dieter Geyer:

Neben der elektrischen

Energiegewinnung bietet die GIPV wie

klassische Fassaden Schutz vor Wind und

Wetter, Abschattung und Tageslichtnutzung,

Schallschutz sowie Wärmedämmung. Die

Energieeinsparverordnung EnEV belohnt

die Anwendung zudem mit einer höheren

Gebäudeklasse nach DIN 18599. Und da ab

2020 alle neuen Nichtwohngebäude in der

EU als „Niedrigstenergiegebäude“ gebaut

werden müssen, werden Architekten und

Gebäudeplaner die Technologie künftig ver-

stärkt einsetzen.

Bei der Nutzung von CIGS-Dünnschicht-

modulen in der Fassade kommen ästheti-

scheVorteile hinzu: Die Module bieten ähn-

liche Gestaltungsmöglichkeiten wie Glas-

fassaden, da ihre Zellstruktur anders als bei

der Silizium-Photovoltaik kaum sichtbar

ist, was homogene Glasflächen in dezenten

Farben ermöglicht. Variable Modulgrößen,

Sonderformen und flexible Bauteile stehen

ebenfalls zurVerfügung.

Was sind die jüngsten Entwicklungen in dem

Bereich? Welche neuesten Möglichkeiten gibt

es oder stehen kurz vor der Fertigentwicklung?

Geyer:

Unser Institut leitet derzeit ein For-

schungsprojekt, in dem wir zusammen mit

Partnern aus Forschung und Industrie die

für die Gebäudeintegration besonders ge-

eignete CIGS-Dünnschichtphotovoltaik für

Fassadenanwendungen optimieren. Es ste-

hen sowohl fertigungstechnische als auch

systemtechnische Themen auf dem Pro-

gramm.

Wir optimieren das Moduldesign hinsicht-

lich Energieertrag, Schattentoleranz, Mon-

tagefreundlichkeit und Flexibilität der Mo-

dulgröße und passen es an die übrigen

Systemkomponenten an. Die optimierten

Fassadenmodule und Systemkomponenten

werden am Ende von den Projektpartnern

hergestellt. Bis dahin wird es aber noch ein

wenig dauern.

Ist die in die Fassade integrierte Dünnschicht-

Photovoltaik denn genauso leistungsfähig wie

die Aufdach-Produkte?

Geyer:

Der Ertrag an Fassaden ist etwas

niedriger als auf einem Süddach. Positiv ist

jedoch, dass er eher in den Morgen- und

Abendstunden entsteht. Auf diese Weise

lässt sich der Mittagspeak elegant vermei-

den. Eine eventuell vorgesehene Batterie

für die Nachtstunden benötigt dann weni-

ger Speicherkapazität. Hinzu kommt: Fassa-

denanlagen nutzen die tief stehende Sonne

imWinter aufgrund ihrer vertikalen Ausrich-

tung gut. Zudem sind sie bei Schneewetter-

lagen gegenüber Dachanlagen imVorteil.

Wie weit sind wir weg von sich zumindest mit

Strom autark versorgenden Gebäuden?

Geyer:

Hier gibt es enorme Fortschritte. Ein

Nichtwohngebäude kann mit Solarfassaden

und einer Dachanlage inzwischen bis zu 75

Prozent des Strombedarfs selbst decken.

Auch das ist Thema unseres Forschungspro-

jekts: Wir prüfen das energiewirtschaftliche

Potenzial von CIGS-Fassaden im Hinblick

darauf, wie der elektrische und auch ther-

mische Energiebedarf auf Gebäudeebene

gedeckt werden kann.

Die Fragen stellte Camillo Kluge.

Die weitaus meisten Photovoltaikmodule in Deutschland sind auf Dächern montiert, in die

Gebäudehülle werden bislang nur die wenigsten integriert. Ein Forschungsprojekt unter der

Leitung des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW)

soll hier künftig für Fortschritte sorgen. Die FASSADE stellte Dieter Geyer, der sich seit 1990

als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung

Baden-Württemberg (ZSW) in Stuttgart mit der Thematik beschäftigt, ein paar Fragen.

Projektleiter Dieter Geyer berichtet über den

Stand der Entwicklung.

Über das ZSW

Das ZSW gehört zu den führenden Instituten

für angewandte Forschung auf den Gebieten

Photovoltaik, regenerative Kraftstoffe,

Batterietechnik und Brennstoffzellen sowie

Energiesystemanalyse. An den drei Standorten

Stuttgart, Ulm und Widderstall sind derzeit

rund 250 Wissenschaftler, Ingenieure und

Techniker beschäftigt. Hinzu kommen 90

wissenschaftliche und studentische Hilfskräfte.

www.zsw-bw.de

CIGS-Dünnschichtmodule an der Fassade des

ZSW-Institutsgebäudes in Stuttgart.

Fotos (2):

© ZSW